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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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Die
Versammlung im Saalbau zu Offenbach, in der Engelbert Pernerstorfer aus Wien nach
der Anordnung der hessischen Behörden nicht sprechen und nicht erscheinen
durfte, wurde heute ohne ihn abgehalten. Außer durch den riesigen Andrang -
auch viele Frauen standen in Reih und Glied - erhielt die Versammlung ein
besonderes Gepräge durch die Anwesenheit der Polizei, die in Hessen im allgemeinen
nicht jede Gelegenheit benützt, die staatliche Autorität sichtbar zu
verkörpern. Am Vorstandstisch nahm nach einigem Zögern - die Offenbacher
Polizei hat anscheinend die verständige Angewohnheit, sich möglichst im
Hintergrund zu halten - der höchste Polizeibeamte der Stadt Platz. Im Garten
waren wohl noch ein halbes Dutzend Polizisten verteilt. Sie hatten keine
Veranlassung, einzuschreiten. Die gute Schulung der Massen sorgte für einen
geordneten Verlauf.
    Pernerstorfer
hat übrigens in Frankfurt trotz des Verbotes geredet. In Offenbach war man
preußischer als in Preußen.
     
    D as darf doch nicht wahr sein! Ausgerechnet heute! Was hat er?
Schnupfen? Heiserkeit?«
    Laura
zuckte die Schultern. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß Herr Beck ausrichten ließ,
er könne wegen Krankheit nicht zum Dienst erscheinen. Über die näheren Umstände
bin ich nicht informiert.«
    »Was
denkt er eigentlich, warum ich ihn nach Offenbach geschickt habe?« rief
Polizeirat Franck. »Damit er Pernerstorfer das
    Kinn
kitzelt und anschließend Urlaub macht? Ich brauche diesen Bericht! Ich habe
nachher einen Termin mit dem Polizeipräsidenten! Holen Sie mir von Lieben
her!« herrschte er den Polizeidiener an, der neben der Tür stand.
    »Wenn
Sie den Hinweis gestatten, Herr Polizeirat: Sie selbst haben Herrn Kommissar
von Lieben bis auf weiteres beurlaubt.«
    »Herrgott
noch mal! Wenn nicht in spätestens zehn Minuten irgendein Kommissar dieses
Präsidiums in meinem Büro steht, dann...!«
    Der
Mann bekam einen roten Kopf, der in seltsamem Kontrast zu seinem schlohweißen
Haar stand. »Jawohl, Herr Polizeirat.«
    »Dieser
Herr Pernerstorfer scheint Polizeirat Franck ja mächtig zu beschäftigen«,
sagte Laura im Flur.
    Der
alte Diener lächelte. »Haben Sie denn die Zeitung nicht gelesen? Daß die Hessen
in Offenbach mehr Zucht und Ordnung haben als die Preußen in Frankfurt, geht
ihm aufs Gemüt. Unter uns: Er wird nicht der einzige in diesem Haus bleiben,
der heute morgen etwas lauter flucht als gewöhnlich.«
    »Sie
sehen aus, als ob Sie das freute?«
    »Na ja,
es erinnert mich an alte Zeiten.« Er senkte seine Stimme zum Flüstern. »Unter
uns: Der Engelbert Pernerstorfer ist ein ganz netter Mensch.«
    »Sie
sind preußischer Beamter und geben sich mit Sozialdemokraten ab?« fragte Laura
amüsiert.
    »Das
meiste von dem, was die sagen, ist gar nicht so dumm, oder?«
    »Lassen
Sie das ja nicht Ihren Chef hören.«
    »Ich
bin ja nicht bekloppt! Einen schönen Tag noch.«
    »Ihnen
auch«, sagte Laura, aber er hatte es so eilig, daß er es sicher nicht mehr
hörte.
    Sie
ging zurück in Becks Büro. Unschlüssig, was sie tun sollte, setzte sie sich an
den Schreibmaschinentisch. Die Mappe, in die der Kommissar die abzutippenden
Schriftstücke legte, war leer. Laura hatte ein flaues Gefühl, wenn sie an Beck
    dachte.
Die Vorstellung, daß einer wie er Scham oder Schuld empfinden könnte, war
lächerlich. Trotzdem wäre es beruhigend, zu wissen, daß er nicht etwa auf
dumme Gedanken kam. Ob sie nach Dienstschluß bei ihm vorbeisehen sollte? Nur -
wo wohnte er überhaupt? Andererseits: Sicher hatte er Personal, das sich
kümmerte. Womöglich würde man es noch falsch auffassen, wenn sie zuviel
Interesse zeigte.
    Auf
seinem Schreibtisch lag ein Stapel mit Meldungen, Berichten und Notizen. Es
konnte nicht schaden, das zu ordnen. Vielleicht half es, auf andere Gedanken zu
kommen.
    Laura
hatte gut zwei Drittel des Papierbergs bewältigt, als sie auf eine alte
Polizeiliche Mitteilung stieß, die ihr Interesse weckte. Zwei übel beleumundete
Gestalten, die eine Schreibmaschine zum Pfandleiher gebracht hatten? Sie
schaute aufs Datum. Es paßte! Sie legte das Blatt zur Seite und arbeitete weiter.
Konzentrieren konnte sie sich nicht mehr. Noch nie war es ihr so lang bis zum
Feierabend vorgekommen.
    »Waren
Sie schon bei den Trödlern?« fragte sie, als sie zu Heiner Braun in die Küche
kam. Er aß mit Helena und Anna Frick zu Abend.
    »Ja.
Leider ohne jeden Erfolg.«
    Laura gab
ihm die Mitteilung. Er las. »Mhm, Pfandhaus. Das ist allerdings auch

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