Hahn, Nikola
zitierte Laura höhnisch.
»Das klingt wie aus seiner eigenen Akte abgeschrieben.«
»Wir
sollten erst einmal ein Vergleichsschreiben besorgen, das ich zusammen mit
diesem Brief Dr. Popp vorlege«, schlug Paul vor.
»Du
hast recht«, stimmte Heiner zu. »Bevor wir gegen jemanden Anschuldigungen
erheben, müssen wir auf Nummer sicher gehen. Unabhängig davon sollten wir den
Brief beantworten, ebenso die beiden anderen.« Er holte seinen Federkasten und
Briefpapier. »Je schneller, desto besser.«
*
Den
Sonntag verbrachte Martin Heynel zu Hause. Es war halb fünf nachmittags, als es
an seiner Wohnungstür schellte. Er wußte nicht, wen er erwartet hatte, aber
ganz sicher nicht Elfriede Wennecke.
Verächtlich
musterte er ihr verlebtes Gesicht und ihren aufgetriebenen Bauch, über dem
sich ein schmuddeliges Wollkleid spannte. »Was willst du schon wieder?«
Sie
zeigte ein Lächeln zwischen schwarzen Zahnstumpen. »Es ist besser, Sie lassen
mich hinein, Oberwachtmeister.«
Victoria
verließ Heiners Haus am frühen Abend zusammen mit Paul Heusohn. »Warum haben
Sie jetzt Zweifel, wenn Sie doch bei dem Abschiedsbrief meines Mannes so sicher
waren, daß er auf dieser Maschine geschrieben wurde?« fragte sie, als sie das
Rapunzelgäßchen entlang zum Alten Markt gingen.
Der
Junge wirkte verlegen. »Herr Beck mag vielleicht kein
besonders
freundlicher Mensch sein. Aber so etwas traue ich ihm einfach nicht zu.«
Victoria
zuckte die Schultern. »Ich kenne ihn nicht gut genug, um das beurteilen zu
können.«
»Mama,
schau!« rief ein kleines Mädchen und streckte seine Ärmchen zum Himmel. »Miss
Polly steigt auf!«
Als
großer, bunter Ball schwebte der Ballon über den Häusern. Victoria dachte an
Flora. Die Sehnsucht nach ihr tat weh.
»Ich
möchte mich bei Ihnen bedanken, Frau Biddling«, sagte Paul Heusohn. Als sie ihn
fragend ansah, lächelte er. »Weil Sie uns Fräulein Louise geschickt haben.«
»Wie
kommen Sie denn darauf?«
»Sie
hat Ihrem Mann immer zu viele Brote eingepackt.« Er streckte ihr die Hand hin.
»Man sollte Hilfe nicht ablehnen, bloß weil man zu stolz ist, sich einzugestehen,
daß man sie braucht. Meine Mutter ist sehr krank, und meine Geschwister müßten
ins Heim ohne Ihre Unterstützung. Und deshalb...«
»Schon
gut«, sagte Victoria. »Wenn Sie mir helfen, Richards Mörder zu finden, sind wir
mehr als quitt.«
Der
Montag und der Dienstag vergingen voll bangen Wartens. Mit der ersten Antwort
am Mittwoch hatten sie einen Ansatzpunkt weniger. Die Absender wollten auf
keinen Fall eine Abfindung zahlen und luden das gnädige Fräulein mit ihrem
Kind zu sich nach Hause ein, damit sie sich von ihrer Seriosität überzeugen
konnte. Der zweite Interessent schien kalte Füße bekommen zu haben; er meldete
sich nicht mehr. Und der Briefschreiber mit dem springenden i auch nicht.
Für
Laura stand fest, daß es Beck war, und sie fing an, ihn zu beobachten. Sie blieb sogar abends länger, um
zu sehen, ob er sich in einem unbeobachteten Moment an der Schreibmaschine zu
schaffen machte, aber nichts geschah. Als sie sich am Donnerstag abend im
Rapunzelgäßchen trafen, berichtete Paul Heusohn, daß nach Dr. Popps Meinung der
Brief mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf der Underwood geschrieben
worden war.
»Welche
Maschine hat Kommissar Beck denn benutzt, bevor die meines Mannes zu ihm ins
Büro kam?« fragte Victoria.
»Soweit
ich weiß, hat er seine Berichte in der Kanzlei tippen lassen«, sagte Paul
Heusohn. »Warum?«
Victoria
rieb ihre Hände. »Und wenn wir die ganze Zeit auf der völlig falschen Spur
waren? Wenn nicht diese Zilly oder Karl Hopf, sondern Kommissar Beck Richard die
anonymen Briefe geschickt hat?«
»Warum
sollte er das denn tun?« fragte Paul Heusohn.
»Vielleicht
stand Kommissar Biddling seinen Karriereplänen im Weg«, überlegte Laura. Sie
sah Paul an. »Das würde erklären, warum er so strikt dagegen war, daß Sie in
der Sache ermitteln.«
»Herr
Beck schien mir immer sehr korrekt zu sein«, entgegnete Paul Heusohn. »Ich
kann mir nicht vorstellen, daß er solche Dinge tut.«
»Er
wäre beileibe nicht der erste Biedermann, der eine Leiche im Keller liegen hat!«
sagte Laura. »Was wissen wir denn schon über ihn? Nichts!«
»Er kam
vor fünf Jahren nach Frankfurt«, schaltete sich Heiner ein. »Man munkelte
damals, es sei nicht ganz freiwillig gewesen. Mehr kann ich Ihnen leider auch
nicht sagen.«
»Dieses
Ermittlungsverfahren, das er gegen die
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