Hahn, Nikola
möchte nicht in der Haut des Beamten stecken, der bei
Pokorny durchsucht hat.« Sie zog die
Schürze
aus. »Durch die Aussage eines Lehrjungen wissen wir jetzt auch, daß Martin den
Mord schon länger geplant hatte. Der Streit in Lotte Heynes Wohnung war
offenbar der Auslöser, seinen Plan endlich in die Tat umzusetzen.«
Heiner
sah sie überrascht an. »Kommissar Biddling und ich haben damals alle
Beschäftigten von Pokorny & Wittekind befragt!«
Laura
lächelte. »Kommissar Beck hat die gesamte Belegschaft antreten lassen und einen
Vortrag über die Abnahme von Fingerabdrücken gehalten, daß ich Mühe hatte, mir
das Lachen zu verkneifen. Aber die Wirkung auf die Arbeiter war phantastisch.
Die haben ihm tatsächlich jedes Wort geglaubt! Der Junge wurde so blaß, daß ich
dachte, er fällt jeden Moment in Ohnmacht. Hinterher kam er kleinlaut an und
fragte, ob er von der Prozedur verschont würde, wenn er die Wahrheit sage.
Martin Heynel hat ihm dreimal fünfzig Pfennige gezahlt, damit er den Riegel am
Kellerabgang zum Wochenende offenließ. Die ersten beiden Male im Januar, das
dritte Mal am Freitag vor Wenneckes Tod.«
»Das
sind ja gute Nachrichten«, sagte Heiner.
Laura
nickte. »Dafür scheint die Mordanklage im Fall Comoretto nicht haltbar zu
sein.« Sie berichtete über das Zeugenverhör, das Beck nach ihrer Rückkehr aus
Bockenheim durchgeführt hatte.
»Ein
Kanalarbeiter hat ihn rausgeworfen?« fragte Heiner ungläubig.
»Er hat
ihm gesagt, daß er aus dem Stinkturm zu verschwinden hat, wenn die
französische Delegation kommt. Damit es nicht heißt, die Frankfurter quartieren
ihre Ausländer im Kanalschacht ein. Der drohende Verlust seiner langjährigen
Wohnstätte muß den armen Comoretto um das letzte bißchen Verstand gebracht
haben. Ob er allerdings in den Senkkasten gefallen ist oder sich in
Selbstmordabsicht hineingestürzt hat, wird wohl nie herauszufinden sein.
Jedenfalls paßt die Aussage des Arbeiters zu den Angaben eines zweiten Zeugen aus
Vilbel.«
»Und
woher hatte er das viele Geld?«
Laura
zuckte die Schultern. »Kommissar Beck hat alles mögliche versucht, das
herauszufinden, aber es ist ihm ebensowenig gelungen wie der Nachweis, woher
Martins Wohlstand stammt. Laut Auskunft seines Rechtsanwaltes handelt es sich
um Lotteriegewinne. Angeblich kann er das auch belegen.«
»Haben
Sie etwas von Victoria gehört?«
»Nein.
Aber die Neuigkeiten dürften sie interessieren.«
Bevor er
etwas erwidern konnte, kam Helena herein. »Stellst du mir bitte den Sessel
heraus, Heiner?«
»Es
regnet«, sagte er. »Und es ist viel zu kalt.«
»Ach
was! Gleich scheint die Sonne.«
Er
streichelte ihre Wange. »Für dieses Jahr ist der Sommer zu Ende, Liebes.«
Sie
nahm seine Hand. »Ja. Zu Ende«, sagte sie traurig.
*
»Du
solltest nicht so oft allein sein, Schwiegermama«, sagte Andreas Hortacker,
als er in die Bibliothek kam. Er hielt sich ein Taschentuch vors Gesicht und
nieste.
Victoria
lächelte, auch wenn ihr nicht danach war. »Du hast heute früh Feierabend.«
»David
meint, ich soll meine Erkältung auskurieren. Ich habe Karten für die Oper. Hast
du Lust, mich zu begleiten?«
»Was
ist denn mit Vicki?«
»Sie
hat eine anderweitige Verpflichtung. Meine Schuld. Ich hätte vorher fragen
sollen.« Er berührte sie am Arm. »Du würdest mir eine große Freude machen.«
»Du
bist ein Charmeur, und es gelingt mir einfach nicht, dir zu widerstehen.«
»Meiner
Frau schon.«
»Ich
wünsche mir so sehr, daß ihr miteinander glücklich werdet.«
»Wir
werden es schon schaffen.«
Victoria
hoffte, daß sie sich irrte. Aber sie hatte kein gutes Gefühl.
Sie war
gerade fertig zur Oper angekleidet, als ihr Heiner Braun gemeldet wurde. Ihr Herz
fing an zu klopfen, und sie schämte sich, daß sie sich so über seinen Besuch
freute. Sie empfing ihn in der Bibliothek.
»Ich
hoffe, ich störe nicht?« sagte er.
»Sie
stören nie, Herr Braun.«
Sie
merkten, daß sie die gleiche Floskel gebraucht hatten wie beim letzten Mal, und
lachten.
»Ich
habe interessante Nachrichten.« Heiner erzählte, was Laura und Kommissar Beck
bei Pokorny & Wittekind ermittelt hatten.
Victoria
sah ihn nachdenklich an. »Kann es sein, daß es das war, was Richard
herausgefunden hatte?«
Heiner
schüttelte den Kopf. »Das hätte er mir sicher sofort gesagt. Es muß etwas
gewesen sein, das entweder so ungeheuerlich war, daß er es mir nicht sagen
wollte oder etwas, das so überraschend kam, daß er es mir nicht mehr
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