Hahn, Nikola
Diskretion zu wahren habe.«
»Bestellen
Sie Signora Runa, daß sie mit ihrer kindischen Geheimniskrämerei aufhören
soll!« Es war ein Schuß ins Blaue, und Richard war erstaunt, daß er traf.
Zum
ersten Mal verlor Hopf die Fassung, wenn auch nur für einen Augenblick. »Sie
glauben doch nicht etwa an dieses kolportierte Hirngespinst?«
»Die
Dame, die sich mir gestern in der Laterna vorstellte, war eindeutig aus
Fleisch und Blut. Allerdings legte sie Wert darauf, vor unserer Unterhaltung
das Licht zu löschen.« Er sah an Hopfs Miene, daß er einen Fehler gemacht
hatte, wenngleich er keine Ahnung hatte, welchen.
»Hat es
Ihnen Wachtmeister Heynel denn nicht gesagt?« fragte Hopf belustigt.
»Verdammt
noch mal! Wer ist sie?«
»Ich
dachte eigentlich, die Abteilungen der Polizei tauschten ihre Informationen
untereinander aus. Darf ich Ihren Mantel bringen lassen?« Das war
unmißverständlich. Richard nahm das Kleiderpäckchen. Hopf begleitete ihn zur
Haustür. »Sie haben eine schöne und faszinierende Frau, Herr Biddling. Sie
sollten sich ein wenig mehr um sie kümmern.«
Wenn
Richard je Sympathie für ihn empfunden hatte, spätestens jetzt war sie
verflogen. »Auf Wiedersehen, Herr Hopf!«
»Auf
Wiedersehen, Herr Kommissar.«
Richard
glaubte, seinen spöttischen Blick bis zur Droschke in seinem Rücken zu spüren,
doch er widerstand der Versuchung, sich umzudrehen. Er gab dem Kutscher
Anweisung, zurück nach Frankfurt zu fahren.
Als der
Wagen den Torbogen passierte, sah er eine Frau zu einem verfallenen Schuppen
laufen, der abseits der Hopfschen Stallungen lag. Etwas an ihrem Verhalten
irritierte ihn. Er ließ halten, stieg aus und folgte einem aufgeweichten
Trampelpfad, der von der Straße aus zur Hütte führte. Das Dach war vermoost
und löchrig; aus einem Rohr kräuselte grauer Rauch. An den Wänden klebten die
Schlingen wilden Weins. Soweit Richard es sehen konnte, gab es keine Fenster.
Vor der Tür hing ein schmuddeliges Laken. Er hob es an, und ein Gestank aus
Exkrementen und verdorbenem Essen drang ihm entgegen. Durch das schadhafte Dach
fiel Licht auf altes landwirtschaftliches Gerät, eine zerschlissene Decke im
Heu und einen rostigen Ofen.
»Hallo!«
rief er in das Halbdunkel. »Kann ich Sie kurz sprechen?«
»Warum?«
fragte eine krächzende Stimme in seinem Rücken. Die Frau war alt und hager, ihr
Kleid starr vor Schmutz. Verfilztes rotes Haar hing ihr in die Stirn. Sie
streckte Richard ihre faltige Rechte hin. Die Fingernägel waren Krallen.
»Guten Tag.«
Richard
unterdrückte seinen Widerwillen und gab ihr die Hand. »Dürfte ich fragen, was
Sie hier tun?«
Sie
lächelte. »Leben, gnädiger Herr.«
»Wie
heißen Sie?«
»Ist
sie tot?«
»Wer?«
fragte Richard.
»Die
kleine May! Ich hab's genau gesehen, daß der alte Quacksalber Portmann eben da
war!«
»Wenn
Ihre Sorge Herrn Hopfs Dienstmädchen Briddy gilt, kann ich Ihnen versichern,
daß sie lebt und wohlauf ist.«
»Sind
Sie ein Freund von ihm?«
»Von
Herrn Hopf? Nein.«
»Was
dann?«
»Dürfte
ich bitte zunächst erfahren, wer Sie sind?«
»Josefas
Aufwartefrau.« Sie zeigte über die Wiesen zum Wald. »Dort wächst das Zeug in
Massen. Er braucht es nur einzusammeln.«
»Ich
verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte Richard.
»Roter
Fingerhut, Zigeunerkraut, Tollkorn.« Ihre Augen funkelten. »Und die
Teufelsbeere tief im Wald, gnädiger Herr. Belladonna: Schöne Frau. Die
Italienerinnen machen Schminke daraus. Wußten Sie das?«
Richard
wurde kalt. »Soll das heißen, daß Herr Hopf
»O ja!«
fiel sie ihm ins Wort. »Gestreifte Glocken, purpurrot im Innern und am Grunde
ein samtenes Gelb. Photographiert hat er sie! Und die Farben in die Bilder
gemalt. Wie Kirschen sehen die Beeren aus, so dunkel und so glänzend und so
süß.« Sie lachte. »Hat der Tee gemundet?«
»Welcher
Tee?«
»Fühlen
Sie sich wohl, gnädiger Herr?«
»Bitte
sagen Sie mir
»Wie
sie riecht? Wie sie schmeckt? Wie sie... wirkt?« Ihre Stimme wurde zu einem
Flüstern. »Er hat's getan, und wenn die Welt mich dreimal irre schimpft.«
»Wer
hat was getan?« fragte Richard.
Die
Alte nahm ihre Röcke hoch und fing an, sich singend im Kreis zu drehen. Richard
sah ein, daß jede weitere Frage sinnlos wäre. Er kehrte zu seiner Droschke
zurück und ließ sich ins Dorf fahren.
Das
Haus von Dr. Portmann war nicht schwer zu finden. Der Arzt öffnete persönlich.
Er hatte weißes Haar und gütige Augen. »Womit kann ich Ihnen dienen,
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