Hahn, Nikola
anderen Behandlungsmethode zu überzeugen?«
»Es
gibt keine andere Behandlungsmethode. Brom, das in ähnlichen Fällen oft
bemerkenswerte Erfolge zeigt, schlägt bei der armen Briddy leider überhaupt
nicht an. Sollte sich ihr Leiden weiter verschlimmern, bleibt irgendwann nur
die Anstaltseinweisung. Sie und ihr Bruder können froh sein, daß Herr Hopf
ihnen ein Dach über dem Kopf gibt.«
»Wie lange
arbeiten die beiden schon für ihn?«
»Er
holte sie nach dem Tod seiner Frau ins Haus, weil seine Angestellten aufgrund
der Giftmordgerüchte gekündigt hatten. Briddy und Benno May sind Waisen und
lebten unter nicht besonders angenehmen Verhältnissen bei Zieheltern in
Frankfurt.«
»Ich
frage mich, warum Hopf die Urheberin dieser Gerüchte nicht längst von seinem
Grund und Boden entfernt hat.«
Dr.
Portmann zuckte die Schultern. »Er hat es versucht. Spätestens nach zwei Tagen
war sie wieder da.«
»Woran starb Josefa Hopfs Kind?«
»Sie
hatte kein Kind.«
»Und
wer ist der Säugling auf dem Photo in Hopfs Salon?«
»Sie
meinen den kleinen Karl Richter? Er stammt aus einer vorehelichen Beziehung.
Ich bitte um Ihr Verständnis, daß ich dazu nicht mehr sagen möchte.«
Richard
nickte. »Eine Frage noch: Gab es damals polizeiliche Ermittlungen gegen Hopf?«
»Gendarmeriewachtmeister
Baumann aus Schönberg war damit beauftragt. Er schlug sich so bedingungslos
auf Ännies Seite, daß seine vorgesetzte Dienststelle eine Disziplinaruntersuchung
gegen ihn einleitete. Aber Sie sind sicher nicht wegen dieser alten Sache
gekommen, oder?«
»Nein.
Ich führe die Ermittlungen in einem Mordfall in Frankfurt und befrage alle
Personen, die mit dem Toten in geschäftlichem oder privatem Kontakt standen.«
»Handelt
es sich bei dem Ermordeten um den Sohn des Pianofortehändlers Leopold
Lichtenstein?«
»Ja.«
»Ich
habe vor Jahren für meine inzwischen verstorbene Frau einen Flügel bei ihm
geordert. Ich konnte es nicht fassen, als ich von der schrecklichen Tat las.
Haben Sie schon eine konkrete Spur?«
Richard
stand auf. »Wir verfolgen den einen oder anderen Hinweis.«
Dr.
Portmann gab ihm die Hand. »Ich verstehe, Herr Kommissar: Auch Sie unterliegen
einer Schweigepflicht. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.«
Der Ort
Schönberg lag ungefähr fünf Kilometer von Niederhöchstadt entfernt. Die
Polizeiwache war verschlossen. Vermutlich befand sich Baumann auf
Streifengang, aber Richard war nicht in der Stimmung zu warten. Auf der
Rückfahrt nach Frankfurt versuchte er, seine widersprüchlichen Eindrücke in
Einklang zu bringen. Daß Hopf auf irgendeine Weise in die Geschichte
verwickelt war, stand für ihn fest. Aber auf welche? Immerhin wußte er, wer
Signora Runa war. Und Oberwachtmeister Heynel wußte es offenbar auch! Sosehr
Richard sich über Hopfs Versteckspiel ärgerte: Die Aussicht, daß das Geheimnis
bald gelöst sein könnte, war beruhigend. Als er die Stadt erreichte, war es
früher Abend, also durchaus noch angemessen, Verwandtenbesuche abzustatten.
Cornelia
Gräfin von Tennitz wohnte im Westend, dem vornehmsten Viertel der Stadt. Ihre
Villa, eine im klassizistischen Stil erbaute ehemalige Sommerresidenz, lag
hinter hohen Mauern in einem großen Garten. Die efeubewachsene Fassade verlieh
dem Haus einen herben Charme. Ein Mädchen führte Richard in den Wintergarten,
wie er wußte, Cornelias Lieblingsplatz. Durch das Glasdach konkurrierte das
letzte Licht des
Tages
mit dem Schein von Lüsterkerzen. Schlingpflanzen, Farne und Palmen füllten den
Raum, auf einer Balustrade blühten Orchideen. Die wenigen Nippsachen zwischen
dem Grün zeugten von Stilsicherheit und Geschmack.
»Womit
kann ich dir dienen, Schwager?«
Sie war
hereingekommen, ohne daß er es gemerkt hatte. Sein Blick glitt über ihr schwarzes
Haar, ihr ebenmäßiges Gesicht und das schlicht geschnittene, unverkennbar teure
Kleid, das mit einem hohen Kragen schloß und ihre makellose Figur mehr als
erahnen ließ. Lächelnd nahm er ihre Hand und deutete einen Kuß an. »Guten
Abend, Cornelia. Du siehst wundervoll aus.«
»Wie
ich dich kenne, bist du nicht zum Süßholzraspeln gekommen.« Ihr spöttischer Ton
verriet, daß sie Komplimente gewöhnt war.
Richard
dachte daran, wie sie ihm damals im Wald gegenübergestanden hatte, jung,
verängstigt und voller Scham. Nie hatte sie eine Andeutung gemacht, aus der er
hätte schließen können, daß ihr der Tag ähnlich stark in Erinnerung geblieben
war wie ihm. »Du hast recht. Ich bin dienstlich
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