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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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Akte?«
    »Ich
kam nicht dazu, hineinzusehen. Kommissar Beck hat sie sofort an sich genommen.«
    Es
klopfte; ein Polizeidiener schaute herein. »Sie und Herr Beck sollen unverzüglich
zu Polizeirat Franck kommen, Herr Kommissar.«
    »Wir
kommen, sobald ich mir einen Überblick über die Sache verschafft habe.« Der
Mann verschwand. Richard sah Paul Heusohn an. »Ganz gleich, wie sehr man Sie
drängen mag: Gehen Sie niemals in eine Besprechung, bevor Sie sich nicht ausreichend
informiert haben. Ich möchte Sie bitten, die Hinweise auf unsere Plakatierung
nach Groß entgegenzunehmen.«
    Der
Junge nickte. Richard versuchte, Laura Rothe zu erreichen, aber von Liebens
Büro war leer. Becks Zimmer lag am
    anderen
Ende des Flurs. Richard mußte dreimal klopfen, ehe er eine Antwort bekam. Beck
saß vor einer aufgeschlagenen Akte. Unter seinen Augen lagen Ringe. Sein
Gesicht war grau. »Weiß man schon, ob sie... aufgewacht ist?«
    Richard
zuckte mit den Schultern. »Polizeirat Franck erwartet uns. Ich wäre Ihnen für
eine kurze Sachverhaltsschilderung dankbar.«
    Beck
starrte auf die Akte. »Nachdem ich mit dem Photographen in Lichtensteins
Geschäft war, überraschte ich Fräulein Frick an der Tür. Ich nahm sie zum
Verhör ins Präsidium mit. Sie sagte, sie habe Lichtenstein am Freitag vor einer
Woche aufgesucht, weil er eine Stellung annonciert habe. Ich ließ sie ins
Gewahrsam bringen und überprüfte ihre Angaben; sie waren zutreffend.«
    »Heusohn
erwähnte etwas von einem Diebstahl.«
    »Sie
hatte eine Zwanzigmarkmünze bei sich. In Lichtensteins Kassenbuch war ein
Fehlbetrag von zwanzig Mark verbucht. Daraus zog ich den voreiligen Schluß, daß
sie das Geld entwendet und gestern versucht hatte, es zurückzubringen.«
    »So
voreilig finde ich diesen Schluß nicht, wenn man bedenkt, wie hartnäckig sie
ihren Besuch bei Lichtenstein leugnete.«
    »Als
ich das Kassenbuch nochmals in Augenschein nahm, entdeckte ich das Geldstück
zwischen den Seiten«, sagte Beck. »Ich vermute, daß Lichtenstein oder sein
Gehilfe es dort abgelegt und vergessen hat. Bevor ich Gelegenheit fand, die
Sache richtig zu stellen, meldete man mir, daß sie ...« Er kämpfte um seine
Fassung. »Ich möchte betonen, daß ich den Vorfall bedaure.«
    Richard
sah ihn aufmerksam an. »Ich habe bei der Durchsicht von Lichtensteins
Unterlagen keine Münze bemerkt.«
    »Ich
kann nur sagen, was ich festgestellt habe.«
    »Leider
taugt diese Feststellung weder als Erklärung dafür, warum sie gelogen hat,
noch, was sie gestern an Lichtensteins Tür wollte.«
    Beck
schwieg.
    »Der
Verdacht, daß sie Lichtenstein bestohlen haben könnte, ergab sich erst, als sie
schon hier im Präsidium war?«
    »Ja«,
    Richard
zeigte auf die Akte. »Steht was drin, das uns weiterhilft?«
    »Sie
war im Gefängnis. Aber nicht wegen Diebstahls.« Beck versuchte, seiner Stimme
einen förmlichen Klang zu geben. »Anna Frick ist Waise und wuchs in
verschiedenen Heimen und bei Pflegeeltern auf. Mit vierzehn ging sie in
Stellung, zunächst bei einem Arzt in Mainz, der sie als Gesellschafterin seiner
Töchter auch an deren Ausbildung teilhaben ließ. Als die Familie nach
Deutsch-Ostafrika auswanderte, wechselte sie in einen Haushalt nach Offenbach.
Sie war dort als Hausdame und Pianolehrerin beschäftigt. Nach einem Jahr wurde
ihr gekündigt, weil sie schwanger war. Bis zur Niederkunft arbeitete sie in
der Seifenfabrik Böhm. Im Mai 1903 verlor sie einen Alimentenprozeß gegen den
ältesten Sohn ihres ehemaligen Herrn, weil er zwei Männer beibrachte, die
schworen, die Klägerin innerhalb der Empfängniszeit ebenfalls gebraucht zu
haben. Sie wurde deshalb wegen Meineides angeklagt; die Verurteilung erfolgte
nur wegen Fahrlässigkeit, da man ihr zugute hielt, sie habe die Eidesformel
nicht verstanden. Sie kam -wohl in Anbetracht ihrer Mutterschaft - mit drei
Monaten Gefängnis davon. Nach ihrer Entlassung zog sie nach Frankfurt.«
    Beck
fuhr sich übers Gesicht. »Ich habe mit dem Vormund ihres Kindes gesprochen.
Der Junge ist als Ziehkind bei einer Schifferfamilie in Offenbach
untergebracht, die ihn lieber heute als morgen los wäre, da er ständig kränkelt
und zusätzliche Kosten verursacht. Der Vormund sagte, er habe Anna Frick
mehrfach brieflich die Situation erläutert und sie dringend gebeten, das
Pflegegeld zu erhöhen.«
    Richard
dachte daran, was Heiner Braun erzählt hatte. »Das erklärt allerdings einiges.«
    Beck
schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wahrscheinlich hat

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