Hahn, Nikola
goldene
Uhr Nr. 62,320 mit der Gravierung
»Leopold«, eine gelbgoldene Panzeruhrkette,
eine goldene Busennadel mit Brillanten und zwei Hemdenknöpfe mit Brillanten.
Der neue Polizeipräsident. Der neue Polizeipräsident
Scherenberg ist gestern Abend von Wiesbaden hier eingetroffen und hat im
Frankfurter Hof Wohnung genommen. Heute wird er in sein Frankfurter Amt
eingeführt.
A ls Karl Hopf am Montag nach Frankfurt hineinritt, sah es nach
Regen aus. Er wußte, daß Maria Hortacker es nicht mochte, wenn er unangemeldet
kam. Aber er wußte auch, daß sie ihn nicht wegschicken würde. Es sei denn, ihr
Mann wäre da. Er ritt durch die Einfahrt hinter das Haus, ließ sein Pferd von
einem Stallburschen übernehmen und klingelte am Dienstboteneingang.
Ein
Hausmädchen öffnete. Sie führte ihn über eine Treppe und durch die Küche ins
Foyer. »Bitte warten Sie einen Moment. Ich werde Sie der gnädigen Frau
melden.«
Es
dauerte fast zehn Minuten, bis sie zurückkam. »Wenn Sie mir bitte in den roten
Salon folgen wollen?«
Wie
immer, wenn sie mißgelaunt war, ließ sich Maria Zeit. Hopfs Anspannung wuchs.
Er lief nervös auf und ab und blieb schließlich am Fenster stehen. Der Garten
war eine bemühte Kopie eines französischen Schloßparks. Wege, Hecken und Beete
folgten geometrischen Formen und waren mit allerlei großen und kleinen
Skulpturen durchsetzt. Den Mittelpunkt der Anlage bildete eine doppelte Brunnenfontäne,
deren Ausmaß sämtliche Proportionen sprengte.
»Was
fällt Ihnen ein, mich derart zu überfallen!« Maria trug ein Kleid aus grüner
Seide mit Pelzbesatz, das ihre üppigen Formen betonte. Mit einer herrischen
Geste schloß sie die Tür.
Hopf
sah sie schuldbewußt an. »Ich habe gestern den ganzen Tag gewartet.«
»Ich
hatte keine Zeit. Und ich habe auch jetzt keine!«
»Ich
bitte vielmals um Verzeihung, aber die Nachricht, die ich Ihnen überbringe,
verträgt keinen Aufschub mehr.« Er hielt ihr einen Brief hin. »Eine Petition
Ihrer Dienerin. Sie entschuldigt sich ergebenst für das Vorkommnis in der
vergangenen Woche am Roßmarkt.«
»Was du
nicht sagst.« Sie las den Brief, und ihre Augen fingen an zu funkeln. »Das ist
das Mindeste, was ich mit ihr tun werde!«
Er senkte
den Blick. »Ich stehe zu Ihren Diensten, Signora.«
Victoria
blieb nach dem Aufwachen gern noch ein wenig im Bett liegen. Sie liebte die
Stille und die verhangenen Fenster, durch die der Tag wie ein Versprechen schien.
Sie war lange nicht in der Oper gewesen, und sie hatte den Abend genossen. Sich
von der Musik davontragen zu lassen, war fast so schön wie ein Buch zu lesen.
Und David war ein formvollendeter Kavalier. Sie mußte lächeln, als sie daran
dachte, wie tapsig und ungezogen ihr Bruder als Kind gewesen war. Seit Jahren
liefen
ihm die
Frauen nach, doch keine schien ihm gut genug. Und Vicki hatte offenbar vor, in
seine Fußstapfen zu treten: Als in der Pause ein junger Mann wagte, ihr sein
Interesse anzudeuten, behandelte sie ihn so herablassend, daß er sein Unterfangen
rasch wieder aufgab.
Es war
nicht das erste Mal, aber Victoria hegte keine Besorgnis. Schließlich war sie
früher nicht besser gewesen. Irgendwann würde der Richtige schon kommen. Doch
sie bedauerte, daß Vicki auch ihr gegenüber so verschlossen war.
Sie
schlug die Decke zurück und stand auf. Sie hatte sich immer gewünscht, mit
ihren Töchtern eine offenere und liebevollere Beziehung zu pflegen, als sie
sie zu ihrer eigenen Mutter gehabt hatte, aber ihre Älteste legte anscheinend
keinen Wert darauf. Dabei war sie so folgsam und wohlerzogen, daß es Victoria
zuweilen erschreckte, und je älter sie wurde, desto schmerzlicher erinnerte sie
ihr Anblick an die Photographie, die Richard heimlich in seinem Nachtschrank
aufbewahrte. Victoria zog die Vorhänge zurück und öffnete das Fenster. Unter
dem regenschweren Himmel wirkte die Stadt grau. Sie kleidete sich an und ging
nach unten.
»Das
geht dich nichts an!« hörte sie Davids Stimme aus dem Herrenzimmer.
»Wenn
sich mein Sohn und Nachfolger mit den übelsten Malfaiteuren Frankfurts abgibt,
geht mich das sehr wohl etwas an!« entgegnete Rudolf Könitz wütend.
David
lachte. »Nachfolger? Das glaubst du ja wohl selbst nicht.«
»Solange
du nicht einmal für eine anständige Kassenabrechnung sorgen kannst, sehe ich
mich leider gezwungen, dir auf die Finger zu sehen.«
»Ich
habe dir schon wiederholt gesagt, daß das nicht mein Fehler war!«
»Dann stelle
demnächst jemanden ein,
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