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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauer Angeline
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einmal zu erklären, wie eine homöopathische Arznei – denn um so eine handelte es sich bei dem Medikament – hergestellt wird.«
    »Bitte.« Der Richter forderte Mélanie auf zu sprechen. Als sie mit ihrer Erläuterung fertig war, seufzte er und sah den Generalstaatsanwalt verstimmt an. »Vielleicht sollten wir in Zukunft solche Schüsse ins Leere vermeiden. Es kostet nur Zeit und macht uns alle mürbe.«
    Die Männer tauschten einen Blick, und Richter Borel sah wieder zu Mélanie. »Sie geben jedenfalls zu, daß Sie Menschen behandeln?«
    »Ich habe nichts für diese Behandlung verlangt«, sagte sie.
    »Es hat ihn nur den Tod gekostet!« schrie einer der Zuschauer, und die anderen lachten.
    Mélanie drehte sich kurz um, dann sagte sie zum Richter: »Der Mann starb vermutlich an einem Magendurchbruch. Er wurde jahrelang falsch behandelt – und das nicht von mir, meinem Mann oder sonst einem Homöopathen, sondern von einem ›angesehenen‹ Pariser Arzt.« Sie faltete ihre Hände im Schoß und sah den Richter fest an. »Ich gab Monsieur Barbéris das Medikament, um ihm das Sterben zu erleichtern – nicht körperlich, seelisch«, erklärte sie. »Es hilft loszulassen, es nimmt die Angst vor dem Tod.«
    Als nächstes wurde Dr. Croserio als Zeuge gerufen. Er bestätigte, daß die Honorare für Behandlungen entweder an ihn oder an Dr. Deleau bezahlt wurden. »Madame Hahnemann beriet uns, und wir nahmen ihre Beratung gerne an, denn sie weiß mehr über die Homöopathie als irgendein homöopathischer Arzt, den ich kenne. Dr. Hahnemann, ihr verstorbener Gatte und Begründer der Homöopathie, sagte über sie, sie beherrsche die Homöopathie vollkommen und wisse ebensoviel darüber wie er selbst.«
    Borel hob müde die Hand. »Nun, das mag so sein, es interessiert hier aber nicht. Wir sind an die Gesetze gebunden und können für eine Madame Hahnemann nicht plötzlich neue geltend machen!«
    »Zumal die Homöopathie als Heilmethode nicht anerkannt ist!« wetterte Sellard. Dann beugte er sich zu Orfila vor und flüsterte ihm etwas zu.
    »Wenn sonst keiner mehr eine Frage an den Zeugen hat, kommen wir zum Vorwurf der illegalen Ausübung der Pharmazie.«
    Richter Borel sah von Monsieur Chaix-D'Est-Ange zum Generalstaatsanwalt. Beide schüttelten den Kopf.
    Borel blätterte in seinen Papieren. Plötzlich schien er gefunden zu haben, wonach er suchte, und sah Mélanie unvermittelt an. »Bei einer Vernehmung durch Monsieur Orfila gaben Sie zu Protokoll, daß Sie die Pharmazie schon deshalb nicht auszuüben brauchten, weil Sie zu jeder Zeit die Dienste des Apothekers Lethière in Anspruch nehmen konnten. Nun, dann handeln Sie illegal, denn Monsieur Lethière kann nicht als Apotheker mit voller Qualifikation angesehen werden. Zwar besitzt er alle erforderlichen Diplome, aber auch ihm fehlt die amtliche Zulassung, und er verfügt nicht über einen geregelten Bestand an handelsüblichen Medikamenten.«
    »Mit Verlaub, das ist paradox!« Monsieur Chaix-D'Est-Ange stand auf und trat neben seine Mandantin. Er sah von Sellard zu Richter Borel. »Ein Apotheker kann in Frankreich nur registriert werden, wenn er die herkömmlichen allopathischen Arzneien auf Lager hält und sie verkauft. Da sich Monsieur Lethière ebenfalls der Homöopathie verschrieben hat, kommt dies für ihn nicht in Frage.«
    »Überhaupt braucht Monsieur Lethière nicht registriert zu sein, denn er verkauft die homöopathischen Arzneien nicht, sondern gibt sie kostenlos ab«, fügte Mélanie an.
    »Richtig!« rief jemand aus dem Publikum. »Nie habe ich dafür bezahlt!«
    Der Richter ignorierte den Mann und wandte sich an Monsieur Chaix-D'Est-Ange. »Bitte klären Sie Ihre Klientin darüber auf, daß das eine nichts mit dem anderen zu tun hat, und sagen Sie ihr, daß sie in Zukunft nur sprechen soll, wenn sie gefragt wird.«
    Borel lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Mélanie wollte etwas entgegnen, aber Monsieur Chaix-D'Est-Ange legte ihr warnend eine Hand auf die Schulter.
    Plötzlich erhob sich Borel. »Für heute ist genug verhandelt. Der Prozeß wird morgen zur üblichen Stunde mit den Zeugenvernehmungen weitergeführt.«
    Alle erhoben sich. Ein Murmeln ging durch den Saal. Mélanie starrte auf die Hand des Richters, an der ein Finger fehlte. Dann drehte der Mann sich um und verschwand hinter der Tür, die in die Wandvertäfelung eingearbeitet war.
    Beim Frühstück las Mélanie in Le Temps über den Prozeß. »So viel Interesse besteht also an

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