Hahnemanns Frau
sind.«
Mélanie begriff nicht gleich, was gemeint war, aber als sie verstand, konnte sie sich ein Lachen nicht verkneifen. Alle Welt schien zu glauben, daß es, aufgrund von Samuels hohem Alter, eine rein platonische Liebe zwischen ihnen sein mußte. Aber alle Welt irrte sich! Daß er auch an ihrem Körper interessiert und durchaus fähig war, dieses Interesse in die Tat umzusetzen, wußte sie längst.
Doch das ging niemanden etwas an. Darum beugte Sie sich nun ihrerseits zu Annelie und flüsterte in gespieltem Ernst zurück: »Ach, wissen Sie, beste Freundin, ich liebe seine Seele und nichts anderes!«
Annelies Bemerkung zu diesem Thema blieb jedoch nicht die einzige an diesem Tag. Später, als man gegessen hatte, noch ein wenig zusammen saß und Portwein trank, fragte Franz Albrecht so leise, daß niemand außer Mélanie es hören konnte: »Befürchten Sie denn nicht, meine Liebe, daß bei Ihnen als Hahnemanns Gattin … nun ja, sagen wir mal, eine gewisse Unzufriedenheit aufkommen könnte? Ich meine, bei einem Altersunterschied von immerhin fünfundvierzig Jahren wäre das doch nicht verwunderlich.«
Mélanie sah ihn befremdet an. Sie ärgerte sich über diese Indiskretion eines Menschen, dem sie nur zwei- oder dreimal begegnet war, und hätte ihm gerne eine scharfe Antwort gegeben. Doch als sie sein sorgenvoller Blick traf, war ihr klar, daß er es ohne Arg gesagt hatte und es ihm allein um das Wohlergehen seines Freundes ging.
Trotzdem konnte sie ihren Zorn nicht beherrschen. »Wenn diese Dinge, auf die Sie anspielen, für mich so wichtig wären, hätte ich doch längst geheiratet«, gab sie zu bedenken. »Oder glauben Sie vielleicht, ich sei nur deshalb noch ungebunden, weil ich keinen Mann abbekam?«
»Selbstverständlich nicht!« Beschwichtigend hob er die Hände. »Im Gegenteil, Madame. Sicher waren Sie stets begehrt …«
»Und immer unerreichbar«, nahm sie ihm das Wort aus dem Mund. »Nie habe ich mich jemandem ganz hingegeben, nie wollte ich abhängig von einem Menschen sein, und sei es aus Liebe. Aber Samuel hat etwas in mir aufgebrochen. Mit seiner Aufrichtigkeit, der Reinheit seiner Seele, der Kraft seines Herzens hat er mein Innerstes erreicht. Ich bewundere seinen klaren Verstand, sein wohltätiges Wesen, sein großes Können und seine menschliche und moralische Vollkommenheit. Eine Vollkommenheit, nach der ich mich mein Leben lang sehnte. Lieber verzichtet er auf alle Annehmlichkeiten, als jemandem zu schaden. Lieber würde er sterben, als sich wie Mephisto zu verkaufen! Und im Gegenzug, Monsieur, achtet und bewundert er meinen Stolz und meine Eigenständigkeit und würde niemals versuchen, mich seinem Willen unterzuordnen.« Sie sah Albrecht fest an. »Wenn es einen Mann auf dieser Welt gibt, mit dem ich glücklich sein, den ich bewundern und lieben kann, ohne mich selbst dafür aufgeben zu müssen, dann ist es Ihr Freund, mein über alles geliebter Gatte.«
Es war still geworden, und obwohl Mélanie ihre Worte nur an Franz Albrecht gerichtet hatte, waren nach und nach alle verstummt und hatten zugehört.
Nun beugte Samuel sich vor, nahm die Hand seiner jungen Frau, küßte sie und zwinkerte Franz Albrecht verschmitzt zu. »Jetzt werden Sie sicher verstehen, lieber Freund, warum ich es nicht lassen konnte, mit diesem temperamentvollen Geschöpf die Ehe einzugehen! Sie ist ein Kleinod, ein wahrer Schatz und für mich alten Knaben ein Jungbrunnen dazu!«
Dieser Zwischenfall am Tag ihrer Hochzeit war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Mélanie und Samuel noch zu erwarten hatten.
Drei Tage lebten sie wie selbstvergessen in ihrem Liebesglück, und wenn nicht Luise und Charlotte mit ihren vorwurfsvollen, vergrämten Gesichtern gewesen wären, hätten sie das Paradies auf Erden gehabt.
Dann kam die erste Post aus Leipzig.
Freiherr von Brunnow, ein Freund Samuels, schickte einen Zeitungsartikel und schrieb dazu:
Mein bester Hahnemann! Den Eindruck, den die Anzeige in der Leipziger Zeitung von Ihrer Vermählung mit der Marquise auf mich machte, kann ich kaum in Worte fassen. Mit äußerster Genugtuung habe ich in die Hände geklatscht und mich herzlichst amüsiert. Lieber Freund, Sie zeigen es der Welt! Daß man Ihnen auch diesen Erfolg mißgönnt, wird Sie natürlich nicht allzu sehr erstaunen – aber Ihre Neider mögen allesamt vor Ärger grün und blau werden und an ihrem Zorn ersticken! Und Ihnen zum Trost sei gesagt: Nur nach fruchtbeladenen Bäumen wirft man mit
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