Hahnemanns Frau
Schleier, der mit winzigen weißen Blümchen bestickt war. Auch einen Brautkranz aus Myrte, ein mit ihrem Monogramm versehenes weißes Spitzentaschentuch und Trauringe besorgte sie.
Als Mélanie nach Köthen zurückkehrte, lag ein Brief von Samuel auf ihrem Nachttisch. Mit fliegenden Fingern öffnete sie ihn und las.
Kommen Sie möglichst bald zu mir. Ich habe mich inzwischen mit meinem Anwalt über die Verteilung meines Vermögens beraten. Ein Testament ist aufgesetzt, das Nachbarhaus für Luise und Charlotte gekauft. Auch habe ich meine Töchter gestern in unsere Heiratspläne eingeweiht. Zuerst waren sie schockiert und haben mit aller Macht versucht, mich umzustimmen – aber inzwischen fügen sie sich drein und akzeptieren auch, daß ich das Nachbarhaus für sie einzurichten gedenke. Nun bleibt noch zu besprechen, wie wir unsere Hochzeitsfeier gestalten und ob wir jemanden einladen wollen.
Dies in aller Eile und Liebe, Ihr C.F.S.H.
Mélanies Herz raste. Nun wußten seine Töchter also Bescheid! Noch drei Tage blieben bis zur Trauung – und sie war sicher, daß es in dieser Zeit einigen Sturm im Wasserglas geben würde. Aber sie würde es durchstehen und würde in jedem Falle unerbittlich bleiben.
Tatsächlich begegneten Luise und Charlotte ihr äußerst frostig, doch zum Glück waren alle zu beschäftigt, um sich lange mit Streitereien und Gehässigkeiten aufzuhalten. Briefe an Samuels Kinder wurden geschrieben, Annoncen aufgesetzt, ein Hochzeitsmenü zusammengestellt, einige wenige Einladungen ausgesprochen.
Eine heftige und ziemlich unerfreuliche Auseinandersetzung gab es allerdings, als Charlotte ohne Erklärung das ehemalige Zimmer ihrer Mutter bezog und anfing, ihr eigenes Zimmer auszuräumen.
»Wozu?« fragte Mélanie alarmiert.
»Nun, Sie brauchen doch ein Schlafzimmer. Ich überlasse Ihnen meines, denn ich möchte nicht, daß Sie in Mutters Zimmer ziehen.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber Sie hätten mich fragen können. Ich werde das Zimmer mit Ihrem Vater teilen.«
»Aber …« Charlotte starrte Mélanie an. »Das ist … vollkommen unüblich! Sie brauchen doch ein eigenes Schlafzimmer!«
»Was üblich ist oder nicht, interessiert mich wenig. Ich schlafe bei Ihrem Vater. Ich will mich jederzeit um ihn kümmern können. Ein Schlafzimmer genügt uns!«
Die beiden Frauen maßen sich mit Blicken. Röte kroch Charlottes Wangen hinauf bis hin zu den Schläfen, empört schnappte sie nach Luft. Dann eilte sie davon, als ob der Teufel hinter ihr her wäre.
Zwei Minuten später kam Samuel herein. »Charlotte schlägt mit Türen und klappert mit Töpfen. Ich habe sie gefragt, was sie so verärgert hat, aber sie antwortet nicht.«
Mélanie setzte sich und atmete tief durch. »Ich habe ihr mitgeteilt, daß ich kein eigenes Schlafzimmer brauche. Ich werde bei Ihnen schlafen!«
Er sah seine zukünftige Frau amüsiert und erstaunt zugleich an. »Nun, nicht daß ich etwas dagegen hätte«, sagte er dann, »aber das ist allerdings äußerst ungewöhnlich und für Charlotte sicher nur schwer zu verstehen.«
»Mag sein.« Mélanie stand wieder auf. »Doch ich ertrage den Gedanken nicht, daß Ihre beiden Töchter morgens die Laken kontrollieren, um herauszufinden, ob wir die Nacht miteinander verbracht haben. Da ist es mir lieber, sie wissen gleich Bescheid!«
Mélanie verschränkte die Arme und starrte Samuel grimmig an. Doch als er plötzlich herzlich lachte, konnte sie nicht mehr böse sein und lachte mit ihm.
»Noch zwei Tage«, sagte er.
»Noch zwei Tage«, wiederholte sie, und sie fielen sich glücklich in die Arme.
Die Hochzeit – genau drei Monate und zehn Tage nach ihrer ersten Begegnung – fand in allerengstem Kreise statt. Samuels Tochter Amalie war mit ihrem zehnjährigen Sohn Leopold angereist, und seine Enkelin Angeline, eine Tochter Henriettes, war schon tags zuvor gekommen. Außerdem hatten sich der kleinen Hochzeitsgesellschaft noch Franz Albrecht, ein Freund und Nachbar der Familie, und Annelie und Gottfried Lehmann angeschlossen.
Angeline, selbst erst seit kurzer Zeit verlobt, und die Lehmanns waren die einzigen, die sich mit dem Brautpaar zu freuen schienen. Sie umarmten und küßten Mélanie und überhäuften sie mit Glückwünschen.
»Ich habe so etwas geahnt«, flüsterte Annelie der Braut ins Ohr, »nur schade, daß er nicht ein wenig jünger ist. Auch mein Mann bewundert Sie sehr wegen des großen Opfers, das Sie für Ihre Liebe zu bringen bereit
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