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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauer Angeline
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ein Taschentuch aus der Weste und tupfte sich den Schweiß von der Stirn.
    Das Lachen und Reden der Menge, das Kreischen der Kinder und Bellen der Hunde vermischte sich in Sébastiens Kopf zu einem einzigen lauten Summen.
    Er stieg von der Laterne, nahm den Zylinder ab und fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. Irgend etwas, eine Ahnung, beunruhigte ihn und trieb ihn dazu, sich den Hahnemanns zu nähern. Es gab keinen ersichtlichen Grund. Er wußte, sie würden nicht mit ihm reden, vielleicht würden sie nicht einmal mehr bei diesem Brunnen sein, wenn er dort ankam, aber sein sechster Sinn sagte ihm: Geh dort hin, da wirst du gebraucht.
    Eine Truppe Uniformierter in blauen Röcken und roten Stulpenstiefeln zog auf, um die Leute von den Wegen zurückzudrängen. »Déplacez-vous!« riefen sie. »Macht Platz für die Soldaten und den König!«
    Weit in der Ferne hörte man Pfeifen, Trompeten und Trommeln. Ein Kind schrie: »Ich sehe sie schon, die Kutsche des Königs – dort kommt sie!«
    Die Leute lachten, denn es war nur eine einfache schwarze Karosse, in die sich kein König der Welt pferchen ließe, auch kein Bürgerkönig wie Louis-Philippe.
    Sébastien sah Mélanies Sonnenschirm über den Köpfen der Menge tanzen. Sie drehte ihn mal rechts herum, mal links, dann stand er wieder still. Er hielt darauf zu; nur noch ein paar Schritte, dann würde er bei ihr sein. Und was sollte er dann sagen? Er wußte es nicht.
    Er trat noch einen Schritt nach vorne, sah, daß von rechts ein junges, unruhiges Pferd daherkam, mit einem Reiter, der betrunken wirkte. Er schwankte und griff in die blaue Schabracke, die den Sattel abdeckte. Sein Kopf fiel zurück.
    Im selben Moment zerriß ein lauter Knall die Stille. Es klang wie ein Schuß. Die Menschen erschraken und schrien auf. Das Pferd erschrak ebenfalls, sprang nach vorne weg und war nicht mehr zu halten. Es ging durch – direkt auf die Hahnemanns zu!
    Sébastien dachte nicht lange nach. Ein Mann stand zwischen ihm und Mélanie. Grob stieß er ihn zur Seite, dann packte er die beiden Hahnemanns an den Armen und riß sie zurück. Dabei geriet er ins Taumeln, stolperte, fiel rückwärts der Länge nach hin und schlug mit dem Kopf auf einen Stein. Bewußtlos blieb er liegen.
    Auch Samuel stürzte, aber ein Junge konnte ihn auffangen und half ihm ins Gleichgewicht zurück. Verdutzt sah er sich um und versuchte zu begreifen, was geschehen war. Nicht weit entfernt stob eine gellende Menschenmenge auseinander, um einem galoppierenden Pferd Platz zu machen. Nun setzte es über ein Blumenbeet und jagte davon.
    »Das Pferd hätte Sie überrannt – dieser junge Mann hat Ihnen das Leben gerettet!« sagte eine Frau und beugte sich über den Verletzten.
    Mélanie trat einen Schritt auf den Retter zu, und da erkannte sie ihn plötzlich. »Mon Dieu, Monsieur Colbert!« Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund.
    Samuel ging nun vor Sébastien in die Knie, um ihn zu untersuchen. Er hob ihm die Lider an, fühlte seinen Puls und sah dann zu Mélanie auf.
    »Er lebt. Das Blut kommt aus der Nase, aber gebrochen ist sie nicht.«
    Plötzlich schlug Sébastien die Augen auf. »Was ist geschehen … ist Ihnen … ist Madame Hahnemann etwas passiert?«
    »Na, Sie sind gut! Ob uns etwas passiert ist?«
    Samuel griff nach Sébastiens Kopf, doch der Verletzte hob abwehrend die Hand. »Nicht!« Er stöhnte auf.
    »Was tut Ihnen weh?« fragte Hahnemann.
    »Kopf, Schulter, der Ellenbogen … aber der Kopf vor allem. Mir ist übel …«
    Charles war inzwischen dem Reiter nachgelaufen, um seiner habhaft zu werden, aber der Mann war entkommen. Jetzt stand er keuchend neben Mélanie.
    Samuel sah die beiden an. »Wir brauchen Arnika. Charles, du solltest loslaufen, um Eugène zu suchen. Wenn du ihn gefunden hast, schicke ihn mit der Kutsche dorthin, wo wir ausgestiegen sind. Wir müssen Monsieur Colbert zu uns nach Hause bringen, um ihn ordentlich versorgen zu können.«
    Mélanie griff in ihren Beutel, zog ein kleines Fläschchen heraus. Arnika hatte sie immer bei sich – für Unfälle wie diesen. Sie öffnete Sébastiens Mund und ließ drei Globuli aus dem Fläschchen auf seine Zunge rollen.
    Eine Frau brachte eine Decke. Man legte Sébastien hinein. Zuerst wehrte er sich, wollte aufstehen und zu Fuß gehen, aber Schwindel und Übelkeit zwangen ihn, sich wieder hinzulegen. Dann nahmen vier Männer die Decke an je einem Zipfel und trugen Sébastien durch die Menge davon.
    Charles hatte

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