Hahnemanns Frau
wie sie trank. »Du sagtest, du kennst diese Frau, die bei Colbert war?« fragte er nach einer Weile. »Hat es denn Sinn, mit ihr zu sprechen und ihr die Sache zu erklären?«
»Um Himmels willen – mit ihr reden, das wäre, als würdest du im Haus Feuer legen, um einen Brand zu verhindern! Zwecklos! Du wirst sehen, schon morgen wird sich ganz Paris darüber das Maul zerreißen, daß ich mit Sébastien Colbert ein Verhältnis habe.«
Samuel sah zu Dr. Chatron. Der nickte. »Ich befürchte, Ihre Gattin hat recht.«
»Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten.«
Dr. Chatron stand auf. »Es ist spät geworden.« Er ging zu Mélanie. »Ich werde den Gerüchten, so gut es geht, entgegenwirken«, sagte er und beugte sich über ihre Hand.
»Vielen Dank, Dr. Chatron – für die Kutsche, aber auch für Ihre Freundschaft.«
Er lächelte. »Ich bewundere Sie, Madame, und ich bewundere Ihren Gatten. Es ist eine Ehre für mich, in Ihrem Haus ein gern gesehener Gast zu sein.«
Am nächsten Morgen war Sébastien Colbert sehr früh aufgestanden, um ganz sicher als erster in der Rue Madame Nr. 7 zu sein. Wie schon bei seinen früheren Besuchen der Hahnemannschen Praxis brachte ihn ein Hausdiener in den Salon, wo er wartete, bis Mélanie erschien.
Als sie Sébastien erkannte, starrte sie ihn fassungslos an. »Sie wagen es, hierherzukommen?«
»Ich bitte Sie, Madame Hahnemann – nur auf ein paar Worte. Bitte hören Sie mich an! Ich habe nichts mit diesem Komplott zu tun!«
»Es interessiert mich nicht. Gehen Sie! Und betreten Sie nie wieder unser Haus!«
»Aber selbst ein Verbrecher hat das Recht, sich zu verteidigen! Warum geben Sie mir nicht die Chance …«
Verzweifelt hob er die Hände und ließ sie wieder sinken. Mélanie hatte ohne ein weiteres Wort nach dem Diener geläutet und dann den Salon verlassen.
Natürlich behielt Mélanie mit ihrer Sorge recht: Es brodelte schon bald in der Gerüchteküche. Ihr nächster Opernbesuch wurde zum Spießrutenlauf. Es gab genug Schandmäuler in Paris, die es sich nicht nehmen ließen, mehr oder weniger offene Anspielungen über ihre angebliche Liebesaffäre und ihren ›peinlichen Auftritt‹ in Sébastiens Schlafzimmer verlauten zu lassen.
Als ihr Vater sie bedauerte, legte sie ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. »Ich halte auch das noch aus, Papa. Erinnern Sie sich, wie Sie mich damals, als ich wegen Mutter das Haus verlassen mußte, mit den Worten Augustinus' zu trösten versuchten? Extra, intra , supra – nach außen, nach innen, darüber hinaus! Ich werde auch an dieser Geschichte wieder ein Stück stärker werden.«
Allentown Academy
Dr. Henry Detwiller nahm die Tasse, die Rose ihm reichte, und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Es war sein Abschiedsbesuch bei Hahnemann, denn morgen würde er nach Amerika zurückreisen. Detwiller war Homöopath mit Leib und Seele. Wie viele andere deutsche Homöopathen war auch er ins Ausland emigriert, weil er die ewigen Anfeindungen gegen die Homöopathie satt hatte. Nun lebte er in Philadelphia und plante zusammen mit Constantin Hering, die Allentown Academy zu gründen.
»Es wird die erste homöopathische Ausbildungsstätte der Welt sein«, sagte er und nahm einen Schluck Tee.
»Großartig! Da hatten Sie eine wunderbare Idee, und ich bin sicher, Sie werden es schaffen.« Samuel zog an seiner Pfeife und blies den Rauch in kleinen Wölkchen vor sich hin. »Sie sind jung, Sie haben Elan, und vor allem haben Sie die Homöopathie verstanden und behandeln strikt nach deren Grundsätzen.« Er seufzte. »Ich wünschte, es gäbe mehr Leute wie Sie!«
»Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Dr. Hahnemann – allerdings gibt es noch ein großes Problem.«
»Und das wäre?«
»Wir haben zwar ein Gebäude gefunden, das über genügend Schulungs- und Behandlungsräume verfügt, aber wir benötigen außerdem eine Apotheke und müssen die Academy repräsentativ einrichten. So eine Ausstattung verschlingt Unsummen! Um es kurz zu machen, es fehlt uns das nötige Kapital. Wir bekommen von offizieller Seite keinerlei Unterstützung, deshalb sind wir auf Spenden angewiesen.«
Samuel nickte. »Ja, immer wieder drohen die besten Pläne am Geld zu scheitern.«
Eine Weile war es still. Schließlich wurde Dr. Detwiller deutlicher. »Wir hofften, Sie könnten uns unter die Arme greifen.«
Samuel nahm die Pfeife aus dem Mund und sah ihn ernst an.
»Das tut mit leid, aber da muß ich Sie enttäuschen. Ich besitze keinen Heller
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