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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauer Angeline
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›Obelisk‹ bedeutet?«
    Balzac sah von einem zum anderen.
    »Nun, es kommt aus dem Griechischen, und ich würde es mit ›Bratspießchen‹ übersetzen«, antwortete Hahnemann, und man lachte.
    »Bald wird unser ›Bratspießchen‹ also beleuchtet auf der Place de la Concorde stehen«, sagte Balzac. »Alle werden es anstarren, aber niemand wird mehr einen Gedanken daran verschwenden, daß noch vor vierzig Jahren an gleicher Stelle die Henkersmaschine des Doktor Guillotin stand.«
    »Mit deren Hilfe immerhin mehr als dreizehnhundert Menschen enthauptete wurden!« fügte Mélanie an. »Darunter auch einen König und seine Königin.«
    »Nicht zu vergessen die 133 Menschen, die schon anläßlich der Hochzeit dieses unglückseligen Paares auf demselben Platz den Tod fanden, weil sie bei einem Feuerwerk in Panik gerieten, in den Graben an der Balustrade stürzten und sich dabei gegenseitig erdrückten!«
    Ein Ober kam, und die Hahnemanns bestellten Vanilleeis mit Schokoladensoße. Danach wechselte man das Thema, sprach zuerst über Sues Roman Der Salamander, dann über die Chronique de Paris, eine Zeitschrift, die Balzac seit neuestem herausgab, und landete schließlich bei Italien.
    »Italien«, sagte Balzac, »liebe ich für sein wunderbar warmes Licht, seinen flockenwolkigen Himmel, seine Votivtafeln an den Wegekreuzungen und seine abgestoßenen Kanten an den Gräbern alter Friedhöfe. Ich liebe es für die unaufdringliche Eleganz der milchigweißen Marmorstatuen in den Gotteshäusern, die ausgetrockneten Brunnen auf dem Lande und die überquellenden Fontänen in den Städten. Italien ist das Land der Widersprüche, und das macht es für mich so sinnlich – eine Sinnlichkeit, die mich an die schwere Süße der Dessertweine denken läßt, die manche der alten Damen dort so gerne trinken.«
    »Das klingt, als hätten Sie große Sehnsucht nach diesem Land.«
    »Nun, ich werde es ja schon bald wiedersehen. Im Auftrag der Viscontis habe ich dort noch einiges zu erledigen.«
    Mélanie schmunzelte. »Werden Sie wieder in Begleitung Ihres überaus adretten Pagen reisen, von dem die Gerüchte gehen, daß er sich in den Stunden zwischen Abend und Morgen auf gar wundersame Weise verwandelt?«
    Balzac sah sie an. »Nun, vom Reisen in Männerkleidung verstehen Sie ja selbst einiges, wie man hört.«
    Sie lachten, diskutierten über Politik und empfahlen sich Bücher, die sie gelesen hatten. Dann sah Samuel plötzlich auf die Uhr.
    »Es ist spät, meine Liebe, ich fürchte, wir müssen aufbrechen. Schon in aller Frühe werden die ersten Patienten vor der Tür stehen.«
    »Ja, du hast recht.« Mélanie beugte sich zu ihm und strich ihm zärtlich eine Locke aus der Stirn. Dann standen alle auf, um sich zu verabschieden.
    Samuel sah Balzac an. »Waren nicht auch Sie für morgen einbestellt?«
    Er nickte. »Nur um Himmels willen nicht schon in aller Frühe!« Er lachte, doch plötzlich war sein Gesichtsausdruck wieder ernst, und er wandte sich an Sue. »Am liebsten würde ich Sie zu einem Konsult bei Dr. Hahnemann mitnehmen, denn wenn einer Ihnen helfen kann, dann ist er es.«
    »Ich hoffe, es ist nichts Ernstes?« fragte Samuel.
    »Leider doch.« Leichte Röte überzog Sues Gesicht. Es war ihm offensichtlich unangenehm, darüber zu sprechen.
    »Nun, dann sollten Sie nicht zu lange zögern. Je schneller behandelt wird, desto besser.« Samuel verbeugte sich. »Es war mir ein Vergnügen – Messieurs.« Er setzte den Zylinder auf, nahm Mélanie am Ellenbogen und verließ mit ihr das Lokal.

Das Fest
    10. August 1836
    Arnaud Citron , Journalist bei Le Temps , war klein und dick und trug eine Brille, die ein wenig schief auf seiner Nase saß. Charles hatte ihn eingeladen, sie kannten sich von einer Reise nach Chartres. Die beiden jungen Männer standen an einem der Fenster und beobachteten das Geschehen.
    »Und Dr. Hahnemann feiert den Jahrestag seiner Promotion seit 1779? Und immer mit einem so großen Fest?« fragte Citron erstaunt.
    »Früher wohl eher mit einem Stück Fleisch oder einem Glas Weizenbier. Das war schon mehr, als er sich leisten konnte, denn er war arm wie eine Kirchenmaus. In den letzten Jahren allerdings begeht er diesen Tag so festlich wie seinen Geburtstag! Mit einem Bankett oder einer Soiree. Eigentlich sei die Promotion ihm noch wichtiger als der Geburtstag, sagt er. Denn damit wurde doch erst der Grundstein für sein weiteres Leben gelegt.«
    Ein kleines Orchester spielte eine Polka. Am Eingang zum Salon

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