Hahnemanns Frau
Unterhaltung. Eine Sängerin, ein Zauberer und eine kleine Theatergruppe waren engagiert.
Als Mélanie und Samuel Hand in Hand den Raum betraten, unterbrach das Orchester den Kontertanz, und Applaus setzte ein, der einige Minuten lang anhielt. Gerührt sah sich Samuel um. Fast alle seine liebsten Freunde waren da. Angefangen von Mélanies Vater und ihrem Bruder über Charles bis hin zu David d'Angers und Eugène Sue. Auch Musiker wie der Pianist Friedrich Kalkbrenner, dessen Vater vor vielen Jahren aus Deutschland an den Hof Napoleons geholt worden war, und Samuels guter Freund, der Dirigent Musard, waren gekommen. Außerdem unzählige Freunde und gute Bekannte aus Deutschland, dem Süden Frankreichs, England und Schottland.
Sichtlich gerührt bedankte sich Samuel und nahm in seinem Lehnstuhl Platz. »Ein Greis wie ich darf sitzen!« sagte er. »Sie müssen zur Strafe für Ihre Jugend derweilen stehen.«
Ein Diener brachte Samuel ein Glas, damit er mit seinen Gästen anstoßen konnte. »Vielen Dank, daß Sie alle mit mir feiern.«
Reden wurden gehalten und Gedichte vorgetragen. Eine junge Dilettantin sang und rührte mit ihrer wunderbaren Stimme so manchen zu Tränen. Robert, der Zauberer, ließ Charles verschwinden und holte statt dessen drei Tauben aus der Kiste, die aufgeregt umherflatterten und die Damen in Schrecken versetzten.
Schließlich bat Mélanie alle Gäste an die Fenster. Auf ihr Zeichen hin zündeten einige Bedienstete draußen im Garten Lampions an. Immer mehr wurden es, und so tauchte aus der Dunkelheit wie aus dem Nichts das Karussell auf.
Die Gäste applaudierten, ein Leierkastenmann, der im Garten stand, drehte seine Orgel, und Mélanie forderte alle auf, nach Lust und Laune hinauszugehen und sich auf dem Karussell zu vergnügen.
»Zuerst der Herr Hofrat Hahnemann!« rief jemand aus den hinteren Reihen.
»Jawohl! Er muß mitkommen und uns anführen auf unserem wilden Ritt durch seinen Garten!«
Eine der Damen kam auf ihn zu, nahm ihn an der Hand und sah ihn bittend an.
»Sie glauben, ich kann das nicht mehr?« Samuel stand lächelnd auf. »Na gut, ich werde es beweisen! Ein Roß aus Holz kann ich noch allemal besteigen!«
Allen voran ging er hinunter. An der Tür ließ er sich seinen Stock mit dem Goldknauf geben, setzte seinen Zylinder auf und legte den weißen Schal um, trat dann vors Haus und ging über den Hof in den Garten. Nun, wo alles hell erleuchtet war, sah man, daß Tulpen und Hyazinthen, Osterglocken und auch die Forsythiensträucher Blüten und Knospen trugen. Bei Tag und bei Sonnenschein mußte dieser Garten eine wahre Pracht sein!
Samuel half Mélanie auf das Karussell. Im Seitsitz nahm sie auf einem der Pferde Platz und drapierte den Rock ihres dottergelben Satinkleides um dessen hölzernen Leib. Um Schultern und Dekolleté hatte sie eine Mantille aus Wollstoff gelegt, die sie nun fester zusammenzog, denn ein kalter Windhauch wehte vom Hof herüber. Lachend sah sie zu, wie Samuel auf dem Pferd vor ihr Platz nahm. Dann kamen noch Charles, Dr. Jenner und Madame Sandrine und besetzten die übrigen Pferde.
Die Fahrt ging los. Dazu drehte ein Mann mit einer Kurbel das Karussell, ein anderer den Leierkasten. Ein Galopp ertönte, und wer um das Karussell herumstand, klatschte im Rhythmus dazu.
Samuels Schal und die Federn in Mélanies Haar wehten im Fahrtwind. Sie sah hinauf zum Himmel, wo die Sterne an ihr vorbeisausten, und sie dachte an damals, als sie an Samuels Arm vom Bunten Fasan zu seinem Haus gegangen war und ebenfalls in den Himmel gesehen hatte. Damals hatten die Sterne so hell geleuchtet wie heute, und sie hatte plötzlich gewußt, daß dieser Mann ihr Schicksal war.
Als Mélanie wieder nach vorne sah, bemerkte sie, wie Samuel fast vom Pferd rutschte. Sie gab dem Mann, der das Karussell ankurbelte, ein Zeichen, zu stoppen. Als es hielt, richtete Samuel sich wieder auf. Er lächelte, aber sie kannte ihn zu gut, um sich täuschen zu lassen. Etwas war nicht in Ordnung. Sie ging zu ihm und nahm seine Hände, und als sie den Drehteller verlassen hatten, wünschten die beiden ihren Gästen viel Spaß mit dem Karussell und gingen, von Charles und Georg Jahr begleitet, hinein.
»Geht es dir nicht gut, Liebster?« Im Licht sah Mélanie ihren Mann besorgt an.
»Wie kommst du darauf? Ich fühle mich prächtig!« Er gab Henry, dem Diener, seinen Zylinder, den Schal und den Stock und ging hinauf in den Salon.
Als er in seinem Sessel saß, hustete er.
»Möchtest du
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