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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauer Angeline
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Tee?« Mélanie wartete seine Antwort gar nicht erst ab. Sie rief eines der Mädchen zu sich. »Bringen Sie Tee mit Honig und etwas Bisquitkuchen.«
    Die Kapelle spielte, und Mélanie hielt Samuels Hand. Beunruhigt sah sie ihn an, doch es war offensichtlich nur ein kurzer Schwächeanfall gewesen, er lachte schon wieder.
    Nach Mitternacht wurde ein Souper serviert. Man unterhielt sich in kleinen Grüppchen, und es wurden die neuesten Gerüchte ausgeplaudert. Dann verabschiedeten sich die Gäste nach und nach, und als die letzen gingen, war es bereits zwei Uhr morgens.
    Samuel sah blaß aus. Seine Hände waren klamm und zitterten, und Mélanie mußte ihm beim Auskleiden helfen. Als er im Bett lag, ließ sie eine kupferne Wärmflasche für ihn bringen und legte sie an seine Füße.
    Er fing wieder an zu husten, und sie legte sich zu ihm. »Ich mache mir Vorwürfe. Ich hätte das Karussell nicht mieten sollen.«
    »Das ist doch Unsinn, du kannst nichts dafür. Es ist einfach nur die Bronchitis, die ich jedes Frühjahr bekomme. Der Schmerz in den Augäpfeln, im Kopf, die Unruhe, Husten und Rasseln auf der Brust … Ich nehme Bryonia, damit habe ich es noch jedesmal in den Griff bekommen.«
    »Ja«, sagte Mélanie, und es schwang Hoffnung mit. »Du hast recht – ich gehe hinunter in die Apotheke und hole es!«
    Schon war sie aufgestanden, war in ihre Hausschuhe geschlüpft und hatte sich ein Umschlagtuch übergeworfen.
    Als sie das Zimmer verlassen und leise die Tür hinter sich geschlossen hatte, überfiel Samuel ein lähmendes Gefühl von Angst. Sein Herz begann zu rasen. »Liebste, laß mich nicht allein!« flüsterte er, und seine Hand krampfte sich hilfesuchend in das Kissen.
    Gegen fünf Uhr morgens bekam er Schüttelfrost. Mélanie war zu panisch, um die Zeit zu registrieren. Sie gab ihm wieder Bryonia. Eine leichte Besserung stellte sich ein.
    Als sie am Morgen aufstand, ging sie zum Fenster und blickte hinaus. Weit hinten im Garten sah sie das Karussell. Eine Bank, die man aufgestellt hatte, war umgefallen, der Himmel war verhangen, und es nieselte. Der Tag war so trist, und ihr Herz war so schwer. Eine Ahnung von Krankheit und Tod machte sich in ihr breit.
    »Bitte nicht!« flüsterte sie und lehnte ihre heiße Stirn gegen das kühle Fensterglas. »Bitte, wenn es einen Gott gibt und du Mitleid mit mir hast, dann nimm ihn mir nicht!«
    Eine kurze Zeit schien es Samuel etwas besser zu gehen. Er verlangte sogar nach seiner Pfeife, aber zwei Züge genügten, und ihm war so übel, als hätte er verdorbenes Fleisch gegessen. »Es ist auch besser, wenn du nicht rauchst«, sagte Mélanie und nahm ihn zärtlich in den Arm.
    Sie führte die Praxis allein weiter. Georg Jahr war gleich am Morgen nach dem Fest nach Lüttich abgereist. Der junge Dr. Nicolas Deleau ging ihr statt seiner zur Hand, aber er konnte nur einfache Fälle übernehmen, ansonsten schrieb er, wie sie es früher getan hatte, die Berichte ins Krankenjournal.
    Nach jedem Patienten eilte sie in Samuels Zimmer, um zu sehen, wie es ihm ging. Er war reizbar und depressiv. Saß er im Sessel neben seinem Bett, eine Decke auf den Knien, wirkte er stumpf und niedergeschlagen. Ließ man ihn im Bett liegen, wurde er unruhig und wollte unbedingt aufstehen. Kam sie, war er ärgerlich; ging sie, steigerte sich seine Ruhelosigkeit zur Angst.
    Am 30. April schickte Samuel einen Brief an Luise und Charlotte.
    Es geht mir nicht gut. Die übliche Frühjahrsbronchitis ist schlimmer als gewöhnlich und erweist sich als äußerst hartnäckig. Aber macht Euch keine Sorgen, es wird schon wieder werden. Das Schreiben ermüdet mich, darum richtet bitte auch Eurem Bruder und Euren Schwestern von mir die allerbesten Grüße aus, und sagt ihnen, ich bin stolz auf sie und habe sie ins Herz geschlossen. Niemand auf der Welt war mir je so wichtig wie Eure Mutter, Ihr und meine zweite Frau, Mélanie.
    Für immer Euer liebender Vater
    Als Mélanie den Brief las, beschlich sie wieder dieses Gefühl von Panik. Es war ein Brief, der nach Abschied klang!
    Auch Amalie, Samuels Viertgeborene, schien das so zu empfinden, denn kaum hatte sie die Nachricht von der Krankheit ihres Vaters erhalten, machte sie sich zusammen mit ihrem Sohn Leopold auf die Reise nach Paris, um ihn zu sehen.
    Mélanie schloß die Praxis bald ganz und betreute nur noch Notfälle. Die übrige Zeit pflegte sie Samuel, der zusehends verfiel.
    Bryonia half nicht. »Bitte, laß uns einen homöopathischen Arzt zuziehen«,

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