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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauer Angeline
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genommen, um ihn zu sehen. Jetzt, wo man glaubt, er stirbt und es könnte vielleicht noch etwas zu holen geben, kommen die Ratten aus ihren Löchern!«
    Mélanie griff in ihre Röcke und ging wieder nach oben.
    »Möglicherweise tun Sie ihr aber auch Unrecht, Madame«, murmelte Rose, doch da hatte Mélanie bereits die Tür hinter sich zugezogen.

Der Abschied
    Es war ein wunderschöner Frühsommertag. Kinder tobten lachend durch den Nachbargarten, die Sonne spiegelte sich in den Fenstern der Häuser, und auf der Ulme im Hof saß eine Amsel und sang mit Leidenschaft ihr Lied. Doch Mélanie nahm all dies nur am Rande war. Es konnte doch nicht sein, daß die Welt sich einfach immer weiterdrehte, während Samuel starb? Es war unmöglich, daß Menschen sich liebten, tanzten, lachten und er seine letzten Atemzüge tat! Bestimmt war alles nur ein böser Traum!
    Doch Dr. Chatron ließ keinen Zweifel offen. »Ihr Mann wird sterben«, sagte er. »Ein, vielleicht zwei Tage noch, mehr Zeit bleibt ihm nicht mehr.«
    »Aber …« Mélanie hatte Tränen in den Augen. »Dann geben wir ihm die falsche Arznei!«
    »Nein, Madame, machen Sie sich nicht länger etwas vor. Hahnemanns Lebenskraft ist so geschwächt, daß keine Medizin mehr helfen kann. Wenn es noch etwas zu regeln gibt, tun Sie es jetzt. Nehmen Sie Abschied, lassen Sie ihn gehen.«
    »Aber ich kann ihn doch nicht aufgeben!«
    »Meine Mutter sagte, einen Sterbenden darf man nicht festhalten, weil seine Seele sonst zwischen den Welten gefangen bleibt. Aber gleichgültig, ob Sie an solche Dinge glauben oder nicht – quälen Sie Dr. Hahnemann nicht, Madame, machen Sie es ihm nicht unnötig schwer.«
    Mélanie entriß ihm ihre Hände, die Dr. Chatron genommen und festgehalten hatte, und lief davon. Im Ordinationszimmer brach sie schluchzend auf dem Sessel zusammen, in dem Samuel sonst seine Patienten empfing. Nicht einmal neun Jahre wären ihnen vergönnt gewesen, müßte Samuel jetzt sterben!
    Plötzlich fühlte sie eine Hand auf ihrem Arm. Sie hob den Kopf, es war Charles. Mit tränenverschleiertem Blick sah sie ihn an. »Dr. Chatron behauptet, daß Samuel sterben wird!«
    »Ich weiß. Er hat es mir schon gestern gesagt.«
    »Aber ich kann es nicht glauben! Vielleicht sollten wir ihm Aconitum geben … oder …«
    »Quäl dich nicht!« Charles nahm sie in die Arme. Eine Weile ließ sie es zu, dann schob sie ihn von sich.
    »Du mußt sie holen – Amalie und Leopold.« Sie wischte sich die Tränen ab. »Ich werde Samuel sagen, daß sie in Paris sind.« Sie stand auf, richtete sich das Haar, strich sich das Kleid glatt und verließ das Zimmer.
    Samuel schlief. Sie setzte sich an sein Bett, nahm seine Hand und lauschte auf das Rasseln in seinen Bronchien. Ein plötzlicher Hustenanfall ließ ihn sich aufbäumen. Er hustete, bis er erschöpft wieder in die Kissen sank. Dann sah er sie betrübt an.
    »Aber du hast ja geweint, mein Engel!«
    »Es fällt mir schwer, dich so krank zu sehen«, sagte sie. »Du mußt bald wieder gesund werden!«
    »Ich werde nicht wieder gesund – ich werde sterben.«
    Sie öffnete die Lippen, um etwas zu entgegnen, aber er legte seine Hand auf ihren Mund. »Wir waren stark genug für die Herausforderungen, die das Leben an uns stellte, jetzt sollten wir auch stark genug für den Tod sein!«
    Mélanies Lippen zitterten, ein Schluchzen drang aus ihrem Mund.
    »Du mußt mir versprechen, nicht aufzuhören, für unsere Sache zu kämpfen. Ich werde kaum unter der Erde sein, und schon werden sie versuchen, meine Lehre zu untergraben. Wie die Wölfe werden sie über alles herfallen und es zerreißen. Aber du darfst es nicht zulassen, du mußt ihnen die Stirn bieten! Sie dürfen nicht die Oberhand gewinnen, diese Halbhomöopathen! Du mußt …«
    Wieder quälte ihn ein Hustenanfall. Als es endlich vorbei war, fühlte er sich so geschwächt, daß er kaum noch sprechen konnte. Er griff Mélanies Hand und sah sie beschwörend an. »Und du darfst auf gar keinen Fall aufhören zu behandeln, versprich mir das!«
    »Aber …« Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Du weißt, daß sie es nicht zulassen werden. Ich bin eine Frau! Die Ärzte werden mich hassen, wenn ich tue, was sie tun.«
    »Was kümmert dich das? Tue, was ich will! Du mußt kämpfen. Du bist stark, und nur durch dich kann alles fortbestehen.«
    Sie schmiegte ihr heißes, tränennasses Gesicht in seine geöffnete Hand und seufzte. »Gut, ich verspreche es dir. Ich werde einen Weg

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