Haie an Bord
rotweiß gestreiften Gummikordel eng an den Schädel gepreßt. »Unsere Vorgänger liebten Gold und Geld … das ist uns gleichgültig, aber wir nehmen es gern als Nebenprodukt mit.« Salim setzte sich auf den OP-Tisch, beugte sich vor und streichelte Eve über die goldroten Haare.
Dr. Wolff ballte die Fäuste hinter seinem Rücken, aber als er sah, wie Eve diese gefährliche Zärtlichkeit mit einem Stolz hinnahm, den selbst Salim zu spüren schien, beruhigte er sich.
»Ich will es Ihnen erzählen, Doktor –«, sagte Salim. »Ich erzähle es Ihnen, weil ich Sie zum Unterhändler machen will. Ein Arzt ist immer so etwas wie ein kleiner Gott in den Augen der Menschen, auch bei uns. Seinem Wort hört man zu … also passen Sie auf.« Er beobachtete Lord McHolland, der noch immer stumm hin und her ging, als sei er allein im Raum. Er hatte sich vor einer Stunde oben an Deck Sabah Salim vorgestellt mit den Worten: »Daß Sie an Bord sind, können Sie mir verdanken, Sie Halunke! Ich bin ein Idiot … aber ich hoffe, das irgendwie wieder gutzumachen.«
»Wir kämpfen nicht um die Freiheit Palästinas oder Gefangener, wie unsere Brüder in aller Welt. Wir haben unsere eigenen Probleme, die uns wichtiger sind als Jerusalem und der Jordan. Kennen Sie die Landkarte dieses Gebietes hier? Im Süden der Südjemen und Hadramaut, im Osten Maskat und Oman. Dazwischen wir, das Sultanat Dhufar. Alle beanspruchen uns, jeder will uns schlucken, alle Nachbarn fallen über uns her, um uns sich anzugliedern. Ein Kampf, von dem die Welt nichts weiß, um den sich niemand kümmert, ein blutiger Völkermord hinter dem Vorhang, ein Sterben unter Ausschluß der sonst so wachen und entrüstend schreienden Öffentlichkeit. Millionen kennen nicht einmal den Namen unseres Landes, unsere Städte Salala und Marbat. Millionen haben noch nie etwas von uns gehört. Dhufar – ist das ein neues Parfüm? Salala – ist das ein neuer Pop-Schlager? Und so verbluten unsere Brüder in den Felsen und im Wüstensand, kämpfen wir um unsere Freiheit, werden unsere gefangenen Brüder gefoltert und ermordet, und keiner, nicht eine einzige Stimme erhebt sich. Südarabien … ein Wunder, daß es noch zu dieser Welt gehört.«
Salim sprang vom OP-Tisch. Sein scharfes Gesicht, das Gesicht eines Raubvogels, glühte von innen.
»Da schickte Allah dieses Schiff! Ein Schiff voll von Millionären, die man in der Welt kennt. Ein Schiff, das mehr wert ist als dreihundert Jahre Wüstenkrieg. Von heute an kennt uns jeder, und wir können unsere Not hinausschreien. Freiheit für das Sultanat Dhufar! Unabhängigkeit!«
Wolff atmete tief auf. Es war ein schmerzhafter Atemzug. Viele von uns werden keine Chance mehr haben zu überleben, dachte er. Wir sind in den Strudel von Haß, Fanatismus und Heimatliebe geraten, eine Mischung explosiver als Dynamit.
»Und wir sollen die Köpfe sein, die ihr auf eure Fahnen steckt?« fragte er heiser.
»Sind wir Ungeheuer, Doktor?« Salim schüttelte den Kopf. »Wir verlangen nichts Unmögliches. Nur einen Vertrag von Oman, Saudi-Arabien, Südjemen: ewige Freiheit für Dhufar.«
»Der Mann ist ein Spinner –«, sagte McHolland. »Als ob man jemals ein solches Papier ausfertigen würde –.« Er blieb stehen und tippte sich an die Stirn. »Wegen vierhundert reichen Weltenbummlern! Man wird Sie auslachen …«
»Dann töten wir!« sagte Salim hart.
»Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet.« McHolland legte beide Hände auf Eves Schultern. Sie zitterte, er spürte das Vibrieren unter seinen Fingern, aber er konnte nicht trösten. Er wußte keinen Trost mehr.
»Wann?« fragte er.
»Vielleicht schon morgen.«
»Dann bitte mich zuerst!«
»Das ist doch Irrsinn!« schrie Wolff und umklammerte das verchromte Gestänge des OP-Tisches.
»Es ist Irrsinn.« Sabah Salim nickte fast traurig. »Aber das Sterben von Unschuldigen ist das Salz in der Suppe der Revolutionen. Kommen Sie, Doktor … Sie sollen für uns in die Verhandlungen eintreten.«
Nach drei Stunden Funkverkehr erlaubte Salim, daß eine Kommission von der ›Rangers‹ an Bord der ›Fidelitas‹ kommen dürfe. Fünf Mann, nackt bis auf eine Badehose.
»Sie werden auch Männer des FBI bereithalten«, sagte Salim zu Dr. Wolff. Sie standen zusammen oben am Ende der Brücke und starrten hinüber zu dem langen Leib des Flugzeugträgers, der undeutlich im Dunst der brütenden Hitze schaukelte. »Aber ein nackter FBI-Mann ist ein lächerlicher Mann, selbst wenn er eine Bombe im
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