Halb verliebt ist voll daneben - Roman
reizend, Sie alle kennenzulernen. Noch alles Gute nachträglich zum Geburtstag, Mr. Schneider«, sagte ich, als ich glaubte, dass es nicht mehr unhöflich war, aufzubrechen.
»O Sarah!«, rief Erin.
»Ja, meine Liebe?«
»Würde es einem von euch was ausmachen, ein Foto von uns allen zu machen?«
»Nein«, sagte Leo.
»Natürlich nicht«, fügte ich hinzu.
»Hier, Sarah, mach du das, du hast die gleiche Kamera. «
Ich nahm Erins Kamera. Sie scharten sich zu einem merkwürdig aussehenden Haufen zusammen. Leo bot an, mir die Tragetüte abzunehmen, damit ich meine Hände freihätte. Ich lehnte ab.
»Also. Alle sagen ›Lesbierin!‹«, schrie ich.
Die Antwort war ein Raunen wie in der Kirche. Es würde ihnen leidtun.
»Oh. Na ja… sagt mal alle ›cheese!‹«
Sie sagten alle cheese und machten einen verstörten Eindruck. Ich machte ein Foto zum Beweis. Dann versuchte ich, sie so wie auf einem spleenigen Schulsportfoto zu arrangieren. Und war gerade dabei, Erins Großvater zu erklären, dass er sich hinter Erin stellen sollte, da er sechzig Zentimeter größer war als sie, als ich etwas erspähte. Es war eine vertraute Gestalt, die sich in rasanter Geschwindigkeit durch das Foyer meines Hotels bewegte. Ich war mir nicht ganz sicher. Aber sie sah aus wie mein Simon.
»Es tut mir sehr leid, entschuldigen Sie bitte …«, sagte
ich zu Erin und ihrer Familie, ohne meinen Blick von der Gestalt abzuwenden, die schon fast durch den Hoteleingang war. Ich lief hinterher.
»Aua!«, kreischte ich.
Ich hatte vergessen, dass ich einen verletzten Knöchel hatte.
»Sarah!«, rief Leo und eilte an meine Seite.
Aber ich humpelte von ihm weg.
»Ich glaube, ich habe jemanden gesehen«, murmelte ich.
Ich dürfte ein erschreckender Anblick gewesen sein: Ohne BH und mit wippenden Brüsten, ungewaschen in den Klamotten des letzten Abends humpelte ich durch das Foyer des Luxushotels. Aber das war mir völlig egal. Ich erreichte die Doppeltüren. Und da sah ich ihn. Es war Simon. Mein Simon. Er wollte gerade in ein gelbes Taxi steigen.
»Simon!«, schrie ich.
Normalerweise habe ich die Stimmgewalt eines Fregattvogels, aber dieses »Simon«, dieses überaus wichtige »Simon« erreichte kaum die Kraft einer Mücke. Er hörte mich nicht. Oder wenn doch, drehte er sich nicht zu mir um.
»Simon!«, versuchte ich es noch mal. Seine Hand lag bereits auf der Taxitür. »SIMON!« Ich sah ihn die Tür öffnen. Ich konnte ihn nicht gehen lassen. »SIMON!«
Diesmal schrie ich noch lauter und rannte auf das Taxi zu. Wieder vergaß ich meinen verstauchten Knöchel und landete dazu unglücklicherweise der Länge nach auf dem Gehweg. Es war eine Katastrophe. Ich fluchte, so laut ich konnte. Und Simon schaute zu mir. Er lächelte nicht. Er
schickte auch nicht den Taxifahrer weg. Er richtete einfach nur seinen Blick auf mich, die ich da am Boden lag.
»Was machst du hier?«, rief ich ihm zu.
Eine berechtigte Frage.
»Ich hatte hier beruflich zu tun.«
»Können wir einen Kaffee trinken gehen?« Simon sah mich in meinem Kleid vom Abend zuvor mit aufgeschürften Knien auf dem Boden liegen und bedachte mich mit einem Blick grenzenloser Verachtung. »Ja?«
»Nein, Sare, lass es gut sein.«
»Simon! Du hast mich verlassen, um mit Ruth zusammen zu sein.«
»Es ist nicht mein Baby.«
»Was?«
»Na ja, es könnte meins sein. Wenngleich ich das bezweifle. Aber Ruth war auch mit ihrem Chef von der Arbeit zusammen, also könnte es auch seins sein. Dieses Foto und die Notiz zu dem Sexspielchen, das hatte nichts mit mir zu tun. Wenn er oder sie da ist, wird es einen Vaterschaftstest geben.«
»O Simon, das tut mir leid.«
»Ja.« Er nickte. »Und sie konnte Kinder kriegen. Sie wollte nur keine mit mir.«
»Oh.«
»Das wollte ich dir nur sagen, mehr nicht. Ich hätte nicht herkommen sollen.«
»Nein, nein, Simon, bitte, lass uns reden, lass uns einen Kaffee trinken.«
Plötzlich veränderten sich Simons Körpersprache und sein Ton. Er sagte: »Wir sehen uns, Sarah Sargeant«, und stieg in das Taxi.
Ich drehte mich um und sah Leo Clement auf mich zukommen.
»Könntest du mir bitte aufhelfen, Leo?«, flehte ich ihn an.
Leo begleitete mich zum Aufzug und ging dann. Ich war erleichtert, denn ich hatte einen Plan. Ich würde mich der Tüte mit dem Aa entledigen, mich umziehen und dann zum Flughafen fahren. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo ich Simon dort finden konnte. Aber es war einen letzten Versuch wert.
Sobald ich aus dem Lift kam, sah
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