Halb verliebt ist voll daneben - Roman
die mir am unangenehmsten schien, weil man wie ein Idiot dabei aussah – eine einzige Quälerei. Aber an diesem Abend hatte ich Spaß daran.
»Ja, das ist guuuuut, weiter so!«, feuerte Simon mich an.
Ich begann Geräusche zu machen, als würde ich Pingpongbälle aus meinem Hintern abfeuern, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie sich so etwas anhört.
Simon sagte was, aber ich konnte ihn nicht verstehen.
»Was?«, keuchte ich und verharrte mit hochgerecktem Hinterteil.
Dann erst wurde mir klar, dass ich Simon gar nicht hören konnte, denn seine Stimme existierte ja nur in meinem Kopf. Also konnte die männliche Stimme, die ich hörte, nicht zu Simon gehören. Sie musste einer echten Person gehören. Höchstwahrscheinlich einem Kellner oder dem Manager.
»Sarah! Darf ich dir Erins Vater vorstellen! Pastor Schneider«, rief Rachel hämisch.
»Was … Wie bitte?«, keuchte ich, wirbelte herum, kam hoch und taumelte elegant zurück.
»Sarah!«, lächelte Erin.
»Erin!« Ich stürzte mich auf sie und schloss sie in meine Arme.
Mr. Schneider blieb unbeeindruckt.
»Ich bin Sarah, Mr. Schneider.« Ich streckte ihm meine Hand hin. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Entschuldigen Sie bitte, ich habe … äh … eine Filmszene einstudiert.«
Er sah überhaupt nicht aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Sah gar nicht nach Geistlichem aus. Auf jeden Fall nicht wie die englischen Geistlichen, die ich kennengelernt hatte und die sich am besten mit Begriffen wie »krankhaft fettleibig« charakterisieren lassen. Erins Dad sah gepflegt aus. Sein Haar war eindeutig frisch gefärbt, denn um seinen Haaransatz sah man verschmierte braune Farbe. Er war stärker gebräunt als Jay-Z und trug ein Polohemd. Ohne zu wissen, wer er war, hätte ich gesagt, dass er Golfspieler mit sexuell abweichendem Verhalten ist. Er übersah geflissentlich meine dargebotene Hand, sah Rachel an, als könne er sie nicht recht zuordnen, und wandte sich dann an Erin.
»Wir kommen zu spät.«
Erin schämte sich ob seines ungehobelten Auftretens.
»Wir haben eine Andacht. Dann bis später«, flüsterte sie und glitt davon, um ihren Vater einzuholen.
»Gut, Sarah!«, schwärmte Rachel. »Du hast es fast hingekriegt! «
»Was denn?«
»Dieses Stripteaseding!«
»Aber es war doch eine Parodie!«
»Genau, nachdem wir das jetzt geklärt haben, überlegen wir uns, was du für die Bumsprobe anziehst!«
60
Ich mag den Sommer. Die entsprechende Garderobe hasse ich. Ich, Sarah Sargeant, bin eine Frau der Wintergarderobe. Ich liebe Winterkleidung. Sie gibt dir die Selbstsicherheit von drei Gläsern Glühwein zu einem leckeren Sandwich. Ich liebe meine Stützstrumpfhosen, in denen mein Hintern schätzungsweise um zwei Kleidergrößen schrumpft. Es erfüllt mich mit Zufriedenheit, wenn die Cellulitis meiner Arme unter einem Pullover und einem Mantel sicher verpackt ist. Ich kann mich entspannen, wenn ich mir einen Schal um den Hals wickle und mein Doppelkinn tarne. Ich schlüpfe ganz beruhigt in meine Stiefel, weil ich weiß, dass sie meine Fußballerwaden verstecken. Im Winter kann ich hochhackige Schuhe tragen, um dünner auszusehen. Aber im Sommer? Sommer! Wo stecke ich meine Cellulitisarme hin? Lasse ich die teigigen Hautfalten frei in meinem ärmellosen Oberteil herumschlackern, oder bedecke ich sie mit einem schweißfleckigen Shirt? Und was mache ich mit meinen Hinterbacken? Lasse ich sie unter einem feinen Blümchenkleid herumhoppeln? Der Sommer zwingt mich, zu wenig schmeichelhafter luftiger Kleidung auch noch flache Sandalen zu tragen. Ich wiederhole: flache Sandalen! In flachen Sandalen sehe ich noch pummliger aus – und vom Kunstleder bekomme ich Blasen an den Füßen. Das einzig Gute am Sommer ist, dass man Sonnenbrillen trägt. Eine Sonnenbrille lässt einen nie fett aussehen.
In England kann man glücklicherweise auch den Sommer mit Winterklamotten bestreiten. Ich kann im Juli mit
einem Polohemd und Strumpfhosen rausgehen, aber sagen: Als ich das Haus verließ, war’s noch richtig frisch. Und die Leute nicken und verstehen das, weil es stimmt. Aber hier in L.A., wo es ständig heißer ist als ein Kuchen, der gerade aus dem Ofen kommt, geht das nicht.
Was sollte ich also anziehen für mein Treffen mit Leo und unsere Probe am Strand? Diese Frage konnte und wollte ich nicht beantworten. Ich konnte nur meinen Kopf zurück unter die Decke stecken und seufzen. Die Entscheidung, was man zu einer Begegnung mit dem ›Attraktivsten Mann des
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