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Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Titel: Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falko Rademacher
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gefärbt vom getrockneten Blut, das aus seinem Hals herausgesickert war. Irgendwann im Laufe der Nacht war sein Kopf heruntergefallen, auf den Boden aufgeschlagen und einen Meter neben das Bett gekullert. Nun lag sein Schädel da und schaute zur Decke. Alles in allem kam ihm das sehr ungelegen.
    Er hatte noch so viel vorgehabt. Es gab noch so viele Menschen, die er fertigmachen wollte. Er führte seit vielen Jahren eine Feindesliste, inzwischen mit etwa zwei Dutzend Namen - die Hälfte davon freilich abgehakt. Die waren erledigt. Es hatte leider nie so viel Spaß gemacht, wie er gehofft hatte. Nicht, weil ihn sein Gewissen plagte. Falls er je eins gehabt haben sollte, so konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Tief im Innern war ihm stets klar gewesen, dass er nur ein mieser kleiner Drecksack war, ein wertloser Haufen Abfall. Er hatte nie Freude am Leben, er hatte lediglich Macht. Und er hatte stets gewusst, wie er sie missbrauchen konnte, mal zu seinem eigenen Vorteil, mal zum Schaden anderer. Die Vorgehensweise war immer die gleiche: Sich zunächst einschleimen bei den richtigen Leuten, dann Protektion genießen, um später, zu einem Moment, an dem es am wenigstens erwartet wurde, von hinten mit dem Messer zuzustoßen. So hatte er es bei seinen Vorgesetzten und beruflichen Kontakten gemacht, um aufzusteigen, und so hatte er es gemacht bei denen, die er zur Strecke bringen wollte.
    Aber die waren ja selbst schuld. Was gaben sie sich überhaupt mit ihm ab. War ihnen nicht klar, dass sie Leuten wie ihm nicht trauen konnten? Waren sie so dumm, in ihm einen Verbündeten, einen Freund zu sehen? Tatsächlich? Tja, Pech gehabt. Er hatte keine Freunde. Noch nie gehabt. Auf der Schule war er ein Außenseiter. Das war noch nicht so schlimm, es gab viele Arten von Außenseitern, und nicht aus allen wurden später Dreckschweine wie er. Nein, er wusste von dem einzigen Klassentreffen, auf das er sich je getraut hatte, dass es gerade die Sonderlinge von damals waren, die inzwischen Erfolg hatten, und zwar in akzeptablen Berufen. Einige waren sogar Künstler geworden und ernteten eimerweise den Rohstoff, an dem es ihm so mangelte und den er sich mehr gewünscht hatte als alles andere im Leben. Aber Anerkennung gab es keine für ihn. Nicht einmal in den Stunden seiner größten Triumphe.
    Im Gegenteil. Die grimmige Zustimmung seiner Chefs, die ihm auf die Schulter klopften und zum Essen einluden, signalisierte im Grunde nur: Zum Glück hab ich dich, damit ich mir nicht die Hände schmutzig machen muss. Du bist ein Arschloch und stolz darauf. Natürlich könnte jeder das machen, was du eben machst, das ist eigentlich leicht, aber es gibt nicht so viele, die bereit sind, sich dermaßen zu erniedrigen. Dein Talent ist nicht dein hohes Maß an Integrität und beruflicher Kompetenz, sondern der Mangel daran. Du interessierst dich nicht für die ethischen Prinzipien deines Jobs wie die anderen, du hast keinen Berufsethos. Und das, obwohl du in einer so unglaublich wichtigen Branche arbeitest. Es gehört eigentlich zu deinen Aufgaben, Gerechtigkeit und Wahrheit zu verteidigen, den Menschen Aufklärung und Wissen zu bringen, ja – sie zu besseren Menschen zu machen. Aufgabe deines Berufsstands ist es letzten Endes, zu einer besseren Welt beizutragen. Aber du hast stets das Gegenteil bewirkt. Und deshalb bist du, trotz deines hohen Einkommens und deiner angeeigneten Macht, nur ein erbärmlicher Versager.
    Charlie Sander war sich nicht mehr ganz sicher, ob er seinen eigenen Tod bedauern musste. Vielleicht wurde es ja im nächsten Leben besser. Aber da kannte er das Nirwana schlecht.
    Eine Stunde später öffnete seine Putzfrau die Wohnungstür und fand ihn. Hinterher war es ihr peinlich, dass sie als erstes die Ambulanz angerufen hatte und nicht die Polizei. Der Notarzt war entsprechend ratlos: Was hatte sie denn gedacht, das er bei einer geköpften Leiche noch bewirken konnte? Zum Spaß fühlte er Sander den Puls. Und so wurde kurz nach Sanders Tod schon wieder über ihn gelacht.
    Lisa Becker erfuhr es diesmal rechtzeitig. Die Katze hatte sich gerade über den Rest ihres Müslis hergemacht und sich zufrieden auf dem Sofa zusammengerollt. Lisa wollte zur Tür raus, als das Telefon erschall.
    „ Lisa, hier ist Fabian. Bin auf dem Weg zu dir. Bist du angezogen?“
    „ Na ja, ich hab noch meinen Spitzenbody an, aber wenn du das Kleidung nennen willst?“
    „ Baby, ich finde, das ist die einzig vernünftige Kleidung für Frauen. Aber im

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