Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
Arschloch?“
„ Ja. Der ist jetzt ein totes Arschloch.“
Sven glotzte. „Echt?“
„ Rübe ab“, bestätigte Lisa, „genau wie bei Fritz Krumm. Vielleicht derselbe Täter, also wahrscheinlich, tät ich mal schätzen.“
„ Könnte auch ein Nachahmer sein“, schlug Sven spontan vor.
„ Werden wir sicher bald wissen.“
„ Vielleicht sollte ich da mal hinfahren“, überlegte Sven, „also als Reporter, meine ich.“
„ Ach, vergiss es. Erstens ist auch die restliche Pressemeute garantiert schon mit Rollkommandos unterwegs, Sanders eigene Redaktion inklusive, und zweitens lassen wir euch da sowieso nicht rein. Schlaf lieber weiter.“
„ Wie soll ich denn jetzt noch schlafen?“ maulte Sven.
Achtzehn
Die Wohnung befand sich in Mitte. Wo auch sonst, schließlich hatte jeder andere Stadtteil Berlins irgendeine Art speziellen Charakter, und Charakter war keine Aktie, in die man als Volksmund-Reporter Geld investierte. In Mitte ging es um Prestige und Geld.
Sanders Leiche bewohnte ein Loft im Dach eines Wohnkomplexes in der Charlottenstraße. Ziemlich teuer und angemessen Eindruck schindend, ohne dass es nach platter Angeberei aussah, das war offenbar die Grundidee. Diese bildete freilich einen Kontrast zur Einrichtung. Welcher Innenarchitekt sich auch immer hier ausgetobt und hinterher ein fünfstelliges Honorar eingestrichen hatte, er hatte offenbar eine Vorliebe für Edelstahl. Es war entsetzlich; ein blinkender, kalter Alptraum aus Metall. Dies galt nicht nur für die Küche, die anscheinend nie benutzt wurde, sondern auch für das Badezimmer, für das Arbeitszimmer und grauenvollerweise auch für das Schlafzimmer: Alle Möbel bestanden durchgehend aus Chrom, Aluminium und Stahl. Es war so, als lebte man in einem OP.
„ War ja klar, dass der Typ irgendwie krank war“, kommentierte Fabian die Umgebung. Er und Lisa hatten brav gewartet, bis Erkennungsdienst und die Laborratten, wie Fabian die Herrschaften der Gerichtsmedizin beschlossen hatte zu nennen, ihren Job erledigt hatten. Nun standen sie wieder in einem Schlafzimmer, zusammen mit einer zweigeteilten Leiche und einer großen, getrockneten Blutlache.
„ Hast du auch manchmal so ein Deja-vu-Erlebnis?“ fragte Lisa.
„ Nein, nie. Was ist das?“
„ Du kennst das Wort wirklich nicht?“
„ Nein, nie. Was ist das?“
Keiner von beiden fühlte sich irgendwie schlecht. Lisas Ekel, den sie bei Fritz Krumm noch verspürt hatte, war schon nicht mehr so stark – man gewöhnt sich an alles. Die Tatsache, dass sie das Opfer diesmal sogar flüchtig gekannt hatte, trübte ihre Stimmung nicht im mindesten. Im Gegenteil, sie war gerade deshalb besonders cool. Denn sie wusste ja, dass es jemanden erwischt hatte, dessen menschliche Qualitäten sich darauf beschränkten, niemals alte Omas vor Straßenbahnen zu schubsen. Sollte sich diese Einschätzung als Irrtum herausstellen, wäre sie aber auch nicht überrascht gewesen. Jeder braucht ein Hobby.
„ Genau wie beim letzten Mal“, fand Lisa.
„ Ja“, beipflichtete Fabian, „aber hier ist es zumindest sauberer. Und Schuhabdrücke in Kotzflecken gibt’s a net.“
„ Das Blut hat fast etwas beruhigendes. Wenn ich in solche Wohnungen komme, in denen alles blitzblank und steril ist, habe ich sofort das Bedürfnis, irgend etwas kaputt zu machen.“
„ So geht es mir in Shopping-Centern. Das macht mich richtig aggressiv, diese klinische Keimfreiheit.“
„ Vielleicht hat ihn seine Putzfrau kaltgemacht“, schlug Lisa vor. „Wo ist die eigentlich?“
„ Schon wieder zuhause. Die hatte keinen Schock, war sogar richtig geschwätzig, sagt der Sanitäter, der mit dem Krankenwagen kam. Können wir gleich befragen, wenn du Lust hast.“
„ Später. Hier haben wir ja alles gesehen. Und ehrlich, das Ding da ist nicht halb so gruselig wie die Einrichtung.“
Sie deutete mit dem Fuß auf den Kopf des toten Schreiberlings, der auf dem kalten Fliesenboden, der das ganze Apartment durchzog, allmählich erkaltete.
„ Ich finde sogar, der sieht jetzt besser aus als vorher“, fand Fabian. „Jetzt hat er nicht mehr diese verschwitzte Schmierigkeit und diese Ohrfeigenhackfresse. Er sieht so nachdenklich aus, als ob er gerade eine Bilanz seines Lebens ziehen würde.“
„ Was bist du heute philosophisch. Komm, wir sagen den Boys, sie sollen ihn eintüten.“
„ Ach übrigens“, sagte Fabian beiläufig, als sie den Lift nach unten nahmen, „Sanders Kamera wurde nicht gefunden.“
„ Oh
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