Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
ja?“
„ Oh ja. Vielleicht hat der Täter sie geklaut?“
„ Warum sollte er? Das Geld hat er nicht angerührt, und das war keine High-End-Kamera, höchstens 200 Euro. Ich wollte mir mal eine ähnliche zulegen für den Urlaub.“
„ Ja, Sander war kein Fotograf. So ein Handwerk muss man lernen, im Gegensatz zu Volksmund-Reporter, wofür man nur ein notariell beglaubigtes Zeugnis vorlegen muss, dass man Rufmord für einen Bestandteil der Pressefreiheit hält.“
„ Glaubst du, das könnte ein Problem für uns werden? Das mit der Kamera?“
Fabian sah sie ungewohnt ernsthaft an. „Du meinst, dass uns einer unterstellt, wir hätten die Type geköpft, damit er uns nicht mit seinen Fotos denunziert?“
„ Ja, ich weiß, das ist Schwachsinn. Aber es passiert unheimlich viel Schwachsinn in der Welt.“
„ Das mit der Kamera ist nicht uninteressant, schon wahr, aber das kann uns niemand ernsthaft unterstellen. Vielleicht war auf noch was anderes drauf.“
„ Die Frage ist, was für Feinde Sander hatte.“
Die Fahrstuhltür öffnete sich. Draußen vor dem Hauseingang standen zwei Dutzend Pressevertreter. Kameras blitzten, Stimmen wirrten, Diktiergeräte digitalisierten.
„ Wir können die da ja mal fragen“, brummte Fabian, „es sind vielleicht dieselben.“
„ Na, dann wühlen wir uns mal durch das Geierrudel“, seufzte Lisa.
Aber diesmal war es irgendwie anders. Die Reporter, ob nun mit Diktiergerät, Mikrofon oder Kamera bewaffnet, sagten kaum ein Wort und öffneten bereitwillig einen Korridor für die beiden Kommissare. Fotografiert und gefilmt wurde, wie sie zu Fabians Wagen gingen, sich hineinsetzten und davonfuhren. Niemand stellte eine Frage, und als Lisa in den Rückspiegel sah, erkannte sie die Verunsicherung und die Angst in den Augen der Leute.
„ Die sind völlig fertig“, konstatierte sie trocken, während Fabian den Gang einlegte.
„ Ob die den Kerl so gemocht haben?“
„ Kann ich mir nicht vorstellen. Aber na ja, sie haben ihn halt persönlich gekannt. Ein paar werden mal mit ihm ein Schultheiß gezischt haben oder so was. Das verbindet, auch wenn man sich nicht besonders mag.“
„ Ich glaube, da ist noch was anderes“, sagte Fabian. „Die sind beunruhigt.“
„ Klar, die fragen sich, warum ein Journalist, wenn wir ihn mal so nennen wollen, ermordet wird. Also, mal abgesehen von den offensichtlichen Gründen.“
„ Weil er zu viel wusste!“ tönte Fabian melodramatisch. „Man musste ihn zum Schweigen bringen.“
„ Das sollte herauszufinden sein.“ Lisa schnappte sich Fabians Handy und wählte das Büro an. Hoffmann meldete sich.
„ Morgen, Becker.“
„ Morgen, Hoffmann. Schon emsig?“
„ Ich checke seine Familie, damit wir sie benachrichtigen können. Eltern leben noch, im Schwarzwald. Ein Beamter dort wird sie besuchen. Keine Kinder, keine Geschwister. Eine Ex-Frau – soll man die auch anrufen?“
„ Gibt’s da irgendeine Art von Protokoll?“
„ Nur Gatten und Blutsverwandte.“
„ Dann soll sie’s aus der Zeitung erfahren. Es sei denn, du überbringst hobbymäßig gerne Todesnachrichten.“
„ Na ja, ich nehme an, sie erfährt es spätestens, wenn die Alimente ausbleiben.“
„ Gut kombiniert, mein kleiner Freund“, grinste Lisa. Sie fragte sich, wieso sie eigentlich so gut gelaunt war. „Folgendes: Sag mal dem Chefredakteur vom Volksmund Bescheid, dass wir gleich mal bei ihm reinschneien. Du hast doch die Nummer?“
„ Ich hab sogar seine Handy-Nummer“, sagte Hoffmann eine Spur zu stolz.
„ Na fein.“ Lisa legte auf. „Ich glaube, du hast recht gehabt.“
„ Sag ich ja“, brummte Fabian. „Womit speziell?“
„ Ich glaube, Hoffmann spielt der Presse Informationen zu. Er hat die private Handy-Nummer vom Volksmund-Chefarsch.“
„ Reizend. Da versucht unsereins, der dreckschleudernden Zunft so weit wie möglich aus dem Wege zu gehen, und der schleimt sich noch extra ein. Ob er Kohle dafür kriegt?“
„ Der will sich nur beliebt machen bei seinen eigentlichen Vorgesetzten.“
„ Ja“, sagte Fabian, „irgendwie ist die Presse unser aller Vorgesetzter. Wer im Dienste oder im Lichte der Öffentlichkeit steht, hat immer die Journaille als zusätzliche Chefetage.“
„ Gibt ja auch gute Journalisten.“
„ Natürlich, ich würde sagen, die guten sind sogar in der Mehrheit. Aber die minderwertige Minorität ist besonders aggressiv und hat besonders viele Leser. Die Aasgeier mit ihrer Reichspropaganda im Schafspelz
Weitere Kostenlose Bücher