HalbEngel
irgendeinem Major, Floyd. Ich spreche von dem Major, der U2 unter Vertrag hat, du verstehst, was ich meine? Es ist nicht nötig, dass ich noch deutlicher werde, dass ich Namen nenne, oder? Wir verstehen hier beide, wovon hier die Rede ist. Lass es mich so ausdrücken: Ripcage rollt. Wir haben hier Gold gemacht, das ist ja kein Geheimnis. Ihr ... du hast Gold gemacht, Floyd, Junge, Gold aus Blei mit den alchimistischen Fingern, die du da an deinen Händen spazieren führst. Wir reden hier über einen Gitarristen, der von einem Indie in ein adäquates Bandformat eingeführt wird, das seine noch schlummernden Fähigkeiten erst richtig zur Geltung bringt. Dieser Gitarrist spielt mit dieser Band für diesen Indie ein einziges Album ein, und schon sind die Majors da. Darunter sind eine Menge Haie, gemeine Abzocker, die nicht mal wissen, was für Musik eigentlich die Beatles gemacht haben, die aber jede Tantiementabelle der jacksonschen Beatlesrechte der letzten vier oder fünf Jahre im Schlaf auswendig herunterbeten können. Du kannst mir folgen?«
»So eben.«
»Ich rede von gigantischen Ablösesummen, Floyd. Summen, die dir bis an dein Lebensende die Erfüllung all deiner Träume garantieren werden. Ich rede von Sicherheiten, von berechenbaren Größen in einem Business, das vor leidigen Unwägbarkeiten und Risiken nur so strotzt. Ich rede von einer Lebensversicherung, Mann. Floyd Timmen Superstar bis ans Ende aller Zeiten, egal, ob du als Nächstes zehn Experimentieralben machst, zehn Country & Western-Alben oder zehn Jahre Ferien. Ich rede von« – er akzentuierte die Lippenbewegungen wie für einen halbblinden Taubstummen – »einhundertundzehnprozentiger künstlerischer Freiheit. Und jetzt erzähl mir noch mal, dass irgendwas hier nicht ganz nach deinen Wünschen läuft, dass irgendjemand hier versucht, dich aufs Kreuz zu legen oder abzuzocken.«
Floyd wollte etwas sagen, doch Donelli unterbrach ihn mit erhobener Hand und einer wichtigen Ergänzung. »Mir ist natürlich vollkommen klar – und niemand versteht das besser als ich –, dass ein Musiker wie du solche Clownereien wie gestern Abend mit den Awards ätzend findet. Kein Problem, Floyd. Du willst nicht mehr auf irgendwelchen Galashows herumhoppeln und winken müssen? Kein Problem, es wird Leute geben, die dir diese Pflicht mit einem Lächeln abnehmen. Du willst nicht mehr mit der Presse reden müssen und zum hundertundzehnten Mal ein und dieselbe saublöde Frage über dich ergehen lassen? Kein Problem. Wir stellen eine sexy Pressesprecherin ein, und alle Journalisten auf der ganzen Welt werden wie von selber nur noch Gutes zu berichten wissen. Du willst nicht, dass nur Gutes über dich berichtet wird? Kein Problem. Du kannst dem Präsidenten der Vereinigten Staaten auf einem Galaempfang ins Gesicht furzen, dass ihm das Toupet wegfliegt – wir kümmern uns darum, dass du auf Kaution wieder rauskommst, und stellen die Kaution. Wir sind nicht deine Feinde, Floyd, wir sind nicht die Mafia. Wir sind im selben Geschäft, du und ich, schon vergessen? Du machst Musik, ich verkaufe Musik. Das ist doch wohl besser, als Drogen zu verkaufen. Wir sind die Guten, wir machen Menschen glücklich. Aber wenn wir uns nicht darum kümmern, dass du eine Halle bekommst, in der auch auf die körperliche Unversehrtheit deiner Fans geachtet wird, wenn wir uns nicht darum kümmern, dass die denkbar besten Verstärkerboxen von den denkbar besten Roadies installiert werden, wenn wir uns nicht darum kümmern, dass das Equipment zur rechten Zeit am rechten Ort ist, und wenn das einmal nicht der Fall sein sollte, dass dann wenigstens hundertundzehnprozentiger Ersatz zur Verfügung steht, und zwar auf die Sekunde – wenn wir uns nicht hinter den undankbaren Kulissen um all das kümmern, bist du nur ein wirrer Junge mit einer hässlichen Klampfe, die komische Geräusche von sich gibt.«
»Niemand hat uns von dem Deal mit dem Major erzählt.«
»Herrgott, weil es noch nicht safe ist, noch nicht ganz unter Dach und Fach, das sagte ich doch schon. Es hängt noch ein wenig davon ab, wie ihr euch gebt, wie ihr euch verhaltet. Gestern Abend hat da nicht unbedingt geholfen, kann ich dir sagen – aber keine Sorge: Wayland Donelli klemmt sich dahinter und bringt das alles wieder ins Reine, als wäre nichts passiert. Wayland Donelli ist übrigens, falls dir das noch niemand erzählt haben sollte, gestern Abend auch derjenige gewesen, der mit Utah und Halloran grinsend auf die Bühne
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