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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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einmal umformulieren: Letzten Endes ist es scheißegal, welcher Psychose du da gerade nachhängst. Wir kaufen dir entweder ’nen Therapeuten und der macht alles wieder heile, oder aber wir drucken’s auf ein T-Shirt. Die Verträge stehen. Du kannst nicht raus.«
    »Doch, kann ich. Ich werde die Verträge einfach brechen.«
    »Fein. Toller Plan. Dann klagen wir dich tot. Du wirst keinen einzigen Cent mehr besitzen und kein einziges Prozent an Rechten mehr an deinen Songs. Vom Gefängnis ganz zu schweigen.«
    »Dann soll es so sein.«
    »Bist du übergeschnappt?«
    »Wieso? Ich hab keine Angst vor dem Gefängnis. Bei einigermaßen guter Führung wird man es mir nicht verbieten, ab und zu Gitarre zu spielen. Damit hab ich dann alles, was ich brauche. Armut macht mir auch keine Sorgen. Wenn ich ehrlich sein soll, haben mir die unbekannten Unsummen von Überweisungen in den letzten Monaten mehr Sorgen bereitet als früher das Wissen, das ich mir nichts leisten kann. Das ist dann wenigstens überschaubar, und die Ränder sind klar umrissen. In letzter Zeit hatte ich zwar ungeheuer viel Geld, aber nicht die Zeit und ehrlich gesagt auch gar keine echte Lust, es überhaupt auszugeben. Diese Art von Reichtum ist also eigentlich sowieso nur ... wie soll ich das ausdrücken? ... Diese Art von Reichtum ist eigentlich sowieso nur ... theoretisch. In der Wirklichkeit habe ich keinerlei Nutzen davon. Also kann ich auch darauf verzichten. Ich habe keine Angst vor dir und dem, was ihr mir antun könnt, Wayl. Ich habe vielleicht Angst vor dem Tod, weil ich noch nicht das Gefühl habe, geschafft zu haben, wofür ich geboren wurde. Aber ich glaube nicht, dass du mich töten wirst, wenn ich gehe. Und dass ein vertragsbrüchiger Musiker auf den elektrischen Stuhl kommt, davon hab ich auch noch nie gehört. Was du aus all dem hier lernen kannst, Wayland Donelli, ist: Du kannst einem Mann nur dann drohen, wenn dieser denselben Werten nachjagt wie du. Ich aber bin so völlig anders, dass ich eigentlich nur lachen kann über dich und deine Anwälte. Was ihr mir nehmen könntet, das geb ich euch doch gerne.«
    »Du ziehst ein Verschimmeln in einer Zelle einem Leben als Rockstar vor?«
    »Ich denke, ich bin jetzt lang genug Rockstar gewesen. Das Zellendasein hab ich noch nicht ausprobiert. Wahrscheinlich ist etwas Neues immer besser als das Alte.«
    »Und was wird aus der Band? Aus Utah? Was ist mit den Fans?«
    »Die Band besteht aus lauter guten Leuten. Jeder von denen wird sich schon zu helfen wissen, da mach ich mir keine Sorgen. Vielleicht wird die Musik, die Utah machen wird, wenn ich nicht mehr mit ihr zusammen bin, besser sein als alles, was sie mit mir zusammen gemacht hat.«
    »Was ist mit den Fans?«, wiederholte Donelli.
    »Glaubst du wirklich, unsere Fans werden zusammenbrechen wie die kleinen Mädchen beim Splitting von Take That ? Auch da bin ich zuversichtlich.«
    Donelli fasste Floyd scharf ins Auge. »Es ist dir wirklich ernst, oder? Du verarschst mich hier nicht nur?«
    Floyd schnaubte durch die Nase und schüttelte den Kopf.
    Donelli stieß sich mit den Händen von der Tischplatte ab, sodass der Stuhl ein Stück weit nach hinten rollte. Dort schwang er sich herum, wandte Floyd die kalte Sessellehne zu und starrte aus dem Fenster auf New Yorks blattlosen Herbst. Leute wuselten dort unten durcheinander. Schicksale, aneinander vorbei. Nur Mikrometer vom Chaos entfernt.
    »Okay«, seufzte Donelli. »Dann ... was willst du? Was verlangst du? Was fehlt dir?«
    »Etwas, was du mir nicht geben kannst. Freiheit.«
    »Oh Gott. Oh Gott oh Gott oh Gott.«
    »Eine ungesicherte Existenz.«
    »Eine ungesicherte Existenz? All die Leute da unten würden alles dafür geben, eine gesicherte Existenz zu bekommen.«
    »Ich bin anders. Ich bin Künstler. Sicherheiten behindern mich. Lass mich in mattschwarzer Nacht auf einem rotglühenden Draht über die Niagarafälle balancieren, dann fange ich vielleicht endlich damit an, gut zu werden.«
    »Ja nun. Ich könnte einen Killer auf dich ansetzen. Würde dich das glücklich machen? Nur’n Scherz.«
    »Schon klar.«
    »So was ist mir noch nie passiert. Ich komm nicht weiter.«
    »Zwei unterschiedliche Ebenen. Du kannst mir nichts bieten, weil alles, was von dir kommt, nichts für mich ist.«
    »Und das nach all dem, was ich für dich getan habe.«
    »Das nach all dem. Vielleicht gerade deshalb. Ich will nicht undankbar sein. Ihr wart nicht die übelsten Burschen, mit denen man Geschäfte machen

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