Halbgeist: Roman
großen Unterschied.
Ich zögerte. »Was mich zu der nächsten Frage führt. Wie viel Hilfe kann ich von Ihnen erwarten? Falls sie noch einmal versuchen, mich auszuschalten.«
Sie können nicht darauf zählen, dass wir Sie retten, Counselor. Unsere Lage ist schwierig, und sie wird immer schwieriger, je länger die Situation bleibt, wie sie ist. Wir sind vielleicht nicht imstande, erneut rechtzeitig einzugreifen.
Unbehagliches Schweigen trat ein. Ich schwebte in dem blau glühenden Nichts und war mir der zarten Mikroströmungen, die mich von hier nach dort trieben, ohne dass ich etwas daran hätte ändern können, nur allzu bewusst. Daraus ließ sich Bewegung ableiten, aber durchaus kein Fortschritt, und sie führten mich näher an die Wände heran, die die Form dieses Ortes definierten. Mein Atem klang, so kontrolliert er auch sein mochte, rau und stockend.
Es war lange Zeit still. Schließlich fühlte ich, wie mich die sanfte Berührung der Luft in Richtung Ausgang trug. Eine Abweisung, aber keine, für die ich jetzt schon bereit war. »Meine Anwesenheit auf dieser Station wurde gefordert.«
Richtig.
»Bringen hat gesagt, Sie selbst hätten mich angefordert.«
Richtig.
»Er sagte auch, Gibb hätte mich ebenfalls angefordert. Aber der streitet das ab.«
Richtig.
»Hat er?«
Ja.
»Warum lügt er?«
Er lügt nicht. Er weiß nicht, dass er Sie angefordert hat.
Stille. Dann: »Wie ist das möglich?«
Auch das ist für Ihre Ermittlungen irrelevant.
Zum Teufel mit ihnen. »Sie behaupten immer wieder, Sie würden meine Fähigkeiten respektieren. Sie sagen sogar, wir hätten gemeinsame Beweggründe.«
Richtig.
»Sie haben sogar erzählt, ich würde meine Unsichtbaren Dämonen treffen.«
Ja.
»Diejenigen, die die Kolonisten auf Bocai in den Wahnsinn getrieben haben. Die mich dazu gebracht haben, Dinge zu tun, die mein Leben ruiniert haben.«
Ihr Leben kann immer noch gerettet werden, Andrea. Aber ja. Das ist richtig.
Meine Stimme brach. »Ihre Schurkenintelligenzen sind meine Unsichtbaren Dämonen, nicht wahr?«
Ich wusste, was sie sagen würden. Aber als ich ihre Antwort erhielt, kurz bevor ich durch die Luke trieb, traf sie mich dennoch mitten ins Herz.
Ja, Andrea Cort. Sie sind es.
Überwältigt von Gefühlen kam ich derart paralysiert aus der Schnittstelle heraus, dass ich weder den Korridor jenseits des Portals erkannte noch wahrnahm, wie Oscin und Skye mich auffingen, mich hielten, mich vorsichtig auf den schwammigen Boden gleiten ließen und mir sanfte Worte zuflüsterten, die ich nicht hörte und an die ich mich später nicht erinnern würde. Ich registrierte nicht, wann das Flüstern aufhörte und sie mit kühler Effizienz agierten und mir ein Pflaster mit irgendwas auf die Schulter pappten, das mir helfen sollte, den Schock zu überwinden.
Ich war nicht da.
Ich war auf Bocai.
Ich war ein kleines Mädchen, acht Jahre alt, grinste vor mörderischem Blutdurst, während ich auf die blutüberströmte Gestalt jenes Wesens herabblickte, das meinen Eltern geholfen hatte, mich aufzuziehen. Während des größten Teils meines Lebens hatte er mich mit kleinen bocaiischen Schmeicheleien überhäuft, die übersetzt so viel bedeuteten wie »Kleine Blume« oder »Licht am Himmel«. Er hatte mir geholfen, hatte mich umsorgt und hatte sich mit jedem vorstellbaren Ernst all den Unsinn angehört, den mein unreifer kleiner Geist von sich gegeben hatte. Er hatte gesagt, es bereite ihm Freude, wenn er mich gemeinsam mit den Kindern spielen sehe, die er und seine Partnerin in diese beste aller Welten gesetzt hatten.
Meinen menschlichen Vater hatte ich Daddy genannt. Und meinen Bocaier Vater Vaafir, das Wort, das in seiner Sprache vom Konzept her ungefähr das Gleiche bedeutete wie Vater.
An jenem Tag war er in dieses Haus gekommen und hatte schon beim Eintreten nach Blut gestunken, das nicht sein eigenes war. Von meinem Versteck zwischen dem Sofa und der Bocaier Statue direkt daneben erhaschte ich einen Blick auf ihn und wusste, dass er als mein Todfeind gekommen war. Er trug eine Halskette aus scharlachroten Menschenohren. Einige wiesen Bissspuren auf; in manchen hingen noch die Ohrringe, die zeigten, dass sie Menschen dieser Kolonie gehört hatten, doch der farbenfrohe Schmuck wurde von einer Schicht menschlicher Körperflüssigkeiten verdeckt. Er grinste, entblößte Zähne, an denen Fetzen von etwas klebten, das Stoff hätte sein können oder Fleisch. Ich wusste, es konnte beides sein, denn ich war Zeugin
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