Halbgeist: Roman
toxischen Nebel stürzten. Die Art und Weise, wie sich mein Magen bei dieser Vorstellung verkrampfte, war mir nicht sonderlich angenehm. Ich wollte diese Sache nicht überleben, sollten die Porrinyards ihr Leben dabei verlieren.
Lastogne fuhr fort: »Sie wollten uns nicht reinlassen. Sie behaupten, die derzeitigen Bedingungen seien zu gefährlich, noch irgendjemandem Zugang zu gewähren.«
Ich zog ein Betäubungsgerät von meinem Kragen. Es war dasselbe Gerät, dass ich zu einem anderen Zeitpunkt gegenüber Gibb eingesetzt hatte, darauf eingestellt, menschlichen Wesen einen lähmenden Schlag zu versetzen, was jedoch auch bedeutete, dass es den Brachiatoren möglicherweise nicht mehr als einen Nadelstich beibringen würde. Da meine Tasche mit Unverzichtbarkeiten sich nach wie vor bei den Porrinyards an Bord des Gleiters befand und das Gerät, das ich zur Abwehr des Zwischenrufers eingeplant hatte, längst in die Wolken gestürzt war, war das Betäubungsgerät alles, was ich noch hatte. »Ich nehme an, Sie haben Einspruch erhoben?«
»Wir haben ihnen gesagt, dass wir noch vier Leute dort drin haben, die sofort evakuiert werden müssen.«
Die Zahl schien korrekt zu sein, bis mir einfiel, dass ich Gibb nicht mitgezählt hatte, der sich immer noch in seinem freiwilligen Exil in Hängemattenstadt aufhielt. »Es sind mehr als vier.«
»Was?«
Der grauhaarige Brachiator legte sich wieder ins Zeug, so kraftvoll, dass ich beinahe mit dem Kopf gegen seinen Rücken geprallt wäre. Ich bearbeitete seine Kehrseite mit der einzigen Waffe, die mir zur Verfügung stand, dem Betäubungsgerät, wurde jedoch nicht mit spektakulären Ergebnissen belohnt: ein kurzes Summen, ein kleines Zucken, ein ärgerliches Grunzen. Jeder Gedanke daran, den ganzen Stamm tapfer mit weiter nichts als einem Betäubungsgerät abzuwehren, löste sich schnell in nichts auf.
Lastogne nervte erneut. »Counselor. Wiederholen Sie, was Sie gerade gesagt haben. Es sind mehr als vier Personen dort?«
»Ich bin ein bisschen zu beschäftigt, um für Sie zu rechnen, Sir. Ich habe zu tun!«
Der Grauhaarige sammelte all seine Kraft und zerrte erneut an der Leine, zog mich auf eine Höhe zu dem Meer aus breiten, affenartigen Gesichtern. Seine eigenen Augen stierten verdreht in meine Richtung. Binnen eines Herzschlags wäre meine letzte Chance zur Flucht vertan. Ich würde niemals siegen, sollte sich das Ganze zu einem Wettstreit in Sachen Muskelkraft entwickeln.
Aber in Punkto Geschwindigkeit war ich ihnen überlegen.
Ich musste mich nicht einmal beeilen, als ich eine Hand ausstreckte und ihm mit dem Betäubungsgerät einen mutmaßlich quälenden Schlag in das rechte Auge versetzte.
Kurze Biologielektion: Es ist nicht wichtig, welcher Spezies man angehört. Hatte man Augen und die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, so war dies die Stelle mit den empfindlichsten Schmerzrezeptoren des ganzen Körpers.
Der graue Brachiator kreischte. Zunächst ließ er die Leine nicht los, aber er löste einen Griff um den Überwuchs, um nach mir zu greifen. Seine Klauen erbebten unter dem Einfluss wilder Raserei, geeignet, Krämpfe hervorzurufen, jedenfalls bei einer Kreatur, die eines schnelleren Bewegungsablaufes fähig war.
Mir blieb genug Zeit, um meine Hand zu seinem anderen Auge zu bewegen und auch diesem einen Stich zu versetzen.
Zweifach geblendet und zu gepeinigt, einen klaren Gedanken zu fassen, ließ der Brachiator die Leine los. Ich sackte ruckartig in die Tiefe, entging knapp seinen tastenden Greifern und auch denen der anderen Brachiatoren, die versuchten, mich zu packen. Ich fiel nicht sonderlich tief. Zu viele Brachiatoren hielten die Leine nach wie vor fest. Bei ihrer Reaktionszeit mochte es ein paar Sekunden dauern, bis ihnen klar wurde, dass etwas Schlimmes passiert war, und dann noch ein paar Sekunden, bis sie auf den schlauen Gedanken kämen, dass ich ein Fisch wäre, den man besser zurückwarf. Nun ja, falls sie auf den schlauen Gedanken kämen. Der kurze Blick, den ich auf kämpfende Brachiatoren hatte werfen können, hatte mir nicht gerade den Eindruck vermittelt, sie würden einer Art angehören, die sofort das Handtuch warf, wenn sie verletzt wurde.
Gleich über mir brüllte Freund der Halbgeister: »Du wolltest Leben!«
Mein eigenes Gebrüll klang nicht weniger schrill: »Ich habe meine Meinung geändert! Ich möchte kein Fitzelchen Leben. Und ich möchte kein Teil von euch sein!«
Dann fiel ich.
Meine Sicherheitsleine verlor, nachdem alle
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