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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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besser ausschlagen.«
    »So schlimm?«
    »So stark. Das Rauschmittel bleibt beinahe achtundvierzig Stunden in Ihrem Körper. Ein exzellenter Stoff, um sich zu besaufen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, zwei Handelstage lang kaum zurechnungsfähig zu sein ... Keine gute Idee, solange Sie noch nicht an die hiesigen Lebensbedingungen gewöhnt sind.«
    Drogenmissbrauch war ein endemisches Problem im Dip Corps, in dem sich so viele Leute fanden, die sich, wie Warmuth und Santiago, vorwiegend aus wirtschaftlicher Not, nicht aber aus Leidenschaft für ihren Beruf zum diplomatischen Dienst verpflichtet hatten. Allerdings schienen die Risiken, die mit dieser Art der Flucht einhergingen, an diesem Ort größer zu sein als anderswo. Ich stellte mir vor, wie all die wagemutigen jungen Mitarbeiter sich einen Weg durch Hängemattenstadt bahnten, und beobachtete dabei eine junge Frau, die sich gerade mit den Händen an einem lockeren Seil zwischen zwei Hängematten entlanghangelte, scheinbar ohne den geringsten Gedanken an die vielen Kilometer leeren Raums zu vergeuden, die unter ihr gähnten. Fragt sich nur, wie viele von euch diese Tricks besoffen oder zugedröhnt oder schlimmer versucht haben.
    Ich schauderte. Bemüht, das Bild eines betrunkenen Diplomaten aus meinem Kopf zu vertreiben, der ein Ticket ohne Rückflug erwischt hatte, fragte ich: »Was hat es mit diesen riesigen fliegenden Dingern auf sich, die ich auf dem Weg hierher gesehen habe? Den Drachen?«
    »Was soll mit ihnen sein?«
    »Na ja, wovon ernähren sie sich?«
    »Auf dem Weg nach unten gibt es eine höchst komplexe Nahrungskette. Die Wolkendecke enthält starke organische Verbindungen, eine Insektenart, die selbige verstoffwechselt, ein vogelartiges Ding, das die Insekten frisst, und die Drachen, die eine Kombination aller Vorgenannten verspeisen, nach deren genauer Zusammensetzung ich nie gefragt habe. Ich glaube, es gibt alles in allem nur vier oder fünf von ihnen; sie fungieren als eine Art lebendiger Luftreinigungssysteme, befreien diesen Bereich der Atmosphäre von allen Stoffverbindungen, die die KIquellen loswerden wollen, und kacken zufrieden, was immer ihnen gefällt. Wie Staubsauger mit einer mythologischen Komponente.«
    »Haben Sie je einen der Drachen aus der Nähe gesehen?«
    »Aus ausreichender Nähe, um meine Neugier zu befriedigen. Sie sind nicht empfindungsfähig, wissen Sie, also gehören sie nicht zu unserem Arbeitsbereich.«
    »Ist das sicher? Dass sie nicht empfindungsfähig sind?«
    »Die KIquellen sagen, sie sind es nicht.«
    »Die Ehrbarkeit der KIquellen wurde heute schon einmal in Frage gestellt.«
    »Mag sein«, räumte Lastogne ein. »Aber es wäre doch albern, würden sie die Aufmerksamkeit auf ein Rudel seltsamer empfindungsfähiger Kreaturen lenken, von denen wir anderenfalls nie erfahren hätten, und dann die Empfindungsfähigkeit anderer Kreaturen abstreiten, deren Existenz sie ebenso gut komplett hätten geheim halten können.«
    Es sei denn, sie sehen irgendeinen Vorteil darin, uns mit Halbwahrheiten zu füttern. »Hat sich irgendjemand die Mühe gemacht, genauer nachzuforschen?«
    »Das könnten wir, Counselor, aber wir haben hier nur eine Hand voll Leute, und diese Welt verleiht dem Wörtchen ›bodenlos‹ eine ganz neue Bedeutung. Je tiefer man geht, desto andersartiger werden die atmosphärischen Bedingungen und desto fremdartiger werden auch die jeweiligen Lebensformen. Es hat keinen Sinn, wenn wir uns fragen, wie viele dieser Kreaturen da unten vielleicht empfindungsfähig sein könnten, solange die KIquellen uns nicht gestatten, die Ausrüstung herzuschaffen, die wir brauchen, um diese tieferen Gebiete ordnungsgemäß zu untersuchen. Die einzigen Transportmittel, die man uns gewährt, dürften es schwer haben, die brutalen Bedingungen unterhalb der Wolkendecke zu überstehen. Vielleicht kommen wir irgendwann dort hinunter, und wenn es so weit ist, wäre ich gern daran beteiligt. Aber im Augenblick sollte es uns reichen, uns um die Brachiatoren zu kümmern. Sie sind unser Auftrag, so wie Warmuth und Santiago Ihr Auftrag sind.«
    Etwas später zeigte er auf ein Paar junger Mitarbeiter, die durch den Außenposten spazierten. Ein Mann, eine Frau, die einander unverkennbar verbunden waren, vielleicht Geschwister, vielleicht ein Liebespaar. Beide hatten dichtes, kurzes Silberhaar und kantige Gesichter, und beide trugen lediglich kurze silberne Hosen und einen dünnen Streifen des gleichen Materials über der Brust. Ihre

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