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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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Armmuskulatur war definiert, wie ich es noch nie gesehen habe, und ihre Bauchmuskeln sahen steinhart aus, was ihnen eine Hilfe war, als sie sich mit den Händen am Überwuchs entlanghangelten und die vielen herabhängenden Ranken nutzten wie die Sprossen einer über ihnen liegenden Leiter. Sie kamen mit der geübten Schnelligkeit von Leuten voran, die sich Tag für Tag auf diese Weise fortbewegten, und mit ihren herabbaumelnden Beinen, die vor und zurück schwangen, sahen sie beinahe aus, als liefen sie über festen Boden - einen Boden, der nur für sie real war.
    Meine persönlichen ästhetischen Vorstellungen ließen wenig Raum für die Bewunderung von Schönheit, aber die beiden passten hinein. Ich empfand eine unverkennbare Ehrfurcht, die ich auf der Stelle unterdrückte. »Wer ist das?«
    »Die Porrinyards.«
    Oscin und Skye. »Was können Sie mir über sie erzählen?«
    »Sie stammen von einer Welt, in der sämtliche Siedlungen auf den Ästen von meilenhohen Bäumen erbaut wurden. Sie sind es von Kindheit an gewohnt, von Ast zu Ast zu klettern, also war es nur logisch, sie hierher zu holen.«
    »Wie würden sie ihre Beziehung zu den Opfern beschreiben?«
    »Zuvorkommend«, sagte Lastogne.
    »Nur zuvorkommend?«, hakte ich nach.
    »Nur das. Sie sind Profis in dem, was sie tun.«
    »Weiter nichts?«
    »Sie sind kybernetisch verbunden. Sie schließen keine normalen Freundschaften.«
    So etwas hatte ich schon von anderen Kybernetikpaaren gehört, aber persönlich war ich noch nie jemandem mit dieser speziellen Modifikation begegnet, also wusste ich nicht, ob ich Lastognes Behauptung als zutreffend einstufen konnte. »Und Sie?«
    Er war keineswegs erschrocken. »Nein. Aber bei mir ist das etwas anderes. Ich schließe keine Freundschaften, weil sie zu zeitaufwendig sind, und sie schließen keine Freundschaften, weil das Konzept in Anbetracht ihrer Verfassung überflüssig ist. Wie steht es mit Ihnen, Counselor? So, wie Sie Gibb behandelt haben, nehme ich an, dass auch Sie nicht schnell Freundschaft schließen.«
    »Tue ich nicht.«
    »Abscheu, Desinteresse oder schlichte Misanthropie?«
    »Geht Sie nichts an.«
    Auch das konnte ihn nicht schockieren. »Angesichts Ihres Werdegangs sollte mich das jedenfalls nicht überraschen.«
    Ich fröstelte. »Was wissen Sie über mich?«
    »Alles, was nicht der Geheimhaltung unterliegt, darunter einiges, was ihr unterliegen sollte. Sie sind nicht gerade eine unbekannte Größe, Counselor. Die Bocai-Geschichte, Magreisons Fluchtentschädigungsverhandlung, der Cort-Kompromiss - das alles ist bei den Leuten, die an solchen Dingen interessiert sind, ziemlich berühmt.«
    Mehr Frösteln. »Und von welcher Art von Dingen reden wir?«
    »Von dem, was Diplomaten zu Diplomaten macht.«
    Nachdem er seine Ansichten über Diplomaten bereits ausreichend deutlich gemacht hatte, war ich nicht dumm genug, seine Worte als Kompliment aufzufassen.
    »Es ist faszinierend«, fuhr er fort. »Wir haben eine Menge gemeinsam, wir vier - Sie, ich und unser verlinktes Paar, die Porrinyards - alle aus persönlichen Gründen antisozial, alle von Berufs wegen verpflichtet, anderen gegenüber freundlich zu sein.«
    Ich legte so viel Kälte wie nur möglich in meine Stimme. »Mir ist schon vor langer Zeit aufgegangen, Mr. Lastogne, dass Diplomatie ausgesprochen wenig mit Freundschaft zu tun hat.«
    Lastognes Züge hatten etwa so viel Ähnlichkeit mit einem warmherzigen Lächeln wie ein Haufen verdammter Schutt mit einem Zuhause. »Nein, Counselor, mit Freundschaft hat das nichts zu tun.«
    Er brachte mich zur anderen Seite der Anlage, wo ich erstmals einen einzelnen Brachiator aus der Nähe betrachten konnte, der sich fünf Meter von der nächsten Brücke entfernt am Überwuchs festhielt.
    Das Ding bestand aus einer Kollektion von vier haarigen, muskulösen Armen, die aus den Ecken eines Torsos herauswuchsen, der über und über mit Mannasaft verschmiert war. Der Kopf war eine kleine Beule in der Mitte des Torsos; die Gesichtszüge erinnerten an die sagenhaften, aber ausgestorbenen Vettern der Menschen, die Schimpansen genannt wurden, abgesehen davon, dass sie drei Augen und ein zahnloses Maul beinhalteten, das auf sonderbare Weise verzerrt war, so als zöge es ständig eine Grimasse. Die Position des Gesichts mitten auf dem Torso diktierte der Kreatur ein Leben mit Blick auf den Überwuchs. Wenn überhaupt irgendein Manöver innerhalb seines Bewegungsspielraums dem Brach einen Blick auf die Wolkendecke

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