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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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ermöglichte, so würde der notwendige erste Schritt wohl mit einem Sturz einhergehen.
    Der Brachiator war so träge, dass ich mehrere Sekunden brauchte, ehe ich sicher war, dass er sich tatsächlich bewegte. Seine Konturen wirkten irgendwie verschwommen, doch dann erkannte ich, dass er von einer Wolke aus Insekten umgeben war, die ihm die Mannatropfen aus dem Pelz fraßen.
    »Sie kleckern beim Essen«, sagte Lastogne. »Wenn die Ranken verletzt werden, spritzt Saft heraus, darum ist der Durchschnittsbrach sein Leben lang mit der klebrigen Pampe beschmiert.«
    »Was die Insekten erklärt.«
    »Ja. Anfangs haben wir uns ihretwegen Sorgen gemacht. Ein Befall der Hängemattenstadt wäre ziemlich unangenehm gewesen. Aber die Insekten wollen nichts von uns wissen, nicht einmal, wenn wir selbst mit dem Saft verschmiert sind. Menschen sind einfach, nun ja, von Natur aus abstoßend.«
    Ich widerstand der Versuchung, ihm zu erklären, dass das kaum etwas Neues war. »Ist er alt oder irgendwie körperlich beeinträchtigt?«
    »Nein, er ist so flink, wie er nur sein kann. Durchaus sinnvoll, wenn man bedenkt, dass es in einer Umwelt wie dieser ein evolutionärer Vorteil ist, sich jedes einzelnen Zugs absolut sicher zu sein. Und da überall um die Brachs herum genug Nahrung wartet und ihre Hausherren keine natürlichen Feinde bereitgestellt haben, müssen sie sich auch nicht sonderlich beeilen.«
    Ich dachte zurück an eine andere Spezies, der ich einmal im Zuge eines Falles begegnet war, den mir meine geheime Mission mit auf den Lebensweg gegeben hatte. Die Catarkhaner waren blind, taub, stumm und nach menschlichem Ermessen gefühllos gewesen und hatten sich so langsam bewegt, dass ihr ganzes Leben wie ein klägliches Ballett des Vergessens erschienen war. Die lustlosen und doch unaufhaltsamen Bewegungsabläufe des Brachs erinnerten mich an einen durchschnittlichen Catarkhaner. »Weiß er überhaupt, dass wir hier sind?«
    »Oh, er hört uns bestens. Und er könnte uns auch sehen, befänden wir uns innerhalb seines Blickfelds. Dafür müssten wir allerdings direkt neben oder über ihm sein. Wir können uns sogar mit ihm unterhalten. Brachs sprechen Merkantil.«
    Die dominante Sprache der Menschen in Handel und Diplomatie war eine krasse und poesielose Ansammlung von Vokabeln, vor langer Zeit zusammengestellt aus Elementen, die von keiner der vielen Tausend zänkischen Subkulturen als Kränkung aufgefasst werden konnten. Die Sprache enthielt nicht eine schöne Phrase. Ihr ausgerechnet bei den Brachiatoren zu begegnen intensivierte meinen Argwohn. »Das kommt mir ein bisschen zu praktisch vor, Mr. Lastogne.«
    »Sagen Sie das den KIquellen. Als wir hier eingetroffen sind, hatten sie die ganze Spezies so weit, die Sprache flüssig zu beherrschen. Ein kurzfristiger Versuch, sich gastfreundlich zu zeigen, nehme ich an.«
    Oder eine raffinierte Methode, die echte Sprache der Brachiatoren zu verdrängen, damit Gibbs Leute über sie keine Einblicke in die Denkprozesse der Brachiatoren erhalten konnten. One One One war, wie ich dachte, passend benannt: Alles kreiste um alles. »Schön, dann reden wir doch mal mit ihm.«
    Lastogne trieb mich vor Angst beinahe in den Wahnsinn, als er nach einer Ranke griff und sich mit den Händen am Überwuchs entlang zu der Kreatur hangelte. Nach einer kurzen Unterhaltung kehrte er zurück und ließ sich so leichtfüßig auf die Netzbrücke fallen, dass jeglicher Verdacht, er hätte sich vor mir aufspielen wollen, sogleich wieder ausgeräumt wurde.
    Ich brauchte all meine Selbstbeherrschung, um meinen Magen unter Kontrolle zu halten, behielt aber eine steinerne Miene bei, als der Brachiator, der sich bedeutend weniger geschmeidig bewegte als Lastogne, dem Ruf des Mannes folgte. Anders als Lastogne, der die Strecke binnen Sekunden zurückgelegt hatte, brauchte er eine volle Minute, ehe er mit rauer, hoher, weinerlicher Stimme das Wort an mich richtete. »Peyrin, der Halbgeist, bittet mich, mit dem Neugeist zu sprechen. Kann der Neugeist mich hören?«
    Lastogne stupste mich an.
    »Ja«, sagte ich.
    »Ich bin Freund der Halbgeister«, erklärte mir der Brachiator. »Ich bin kein Freund der Neugeister. Ich spreche nur mit dem Neugeist, um meinem Freund Peyrin einen Gefallen zu tun.«
    Wieder stupste Lastogne mich an.
    »Ich bin Counselor Andrea Cort, Freundin ...« Ich zögerte, doch dann fühlte ich, dass meine instinktive Antwort richtig war, »... der Lebenden.«
    Der Brachiator brauchte einige lange

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