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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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sie sich zu sämtlichen Leuten, nach denen ich sie fragte, in Form von inhaltslosen, sorgsam wertfrei formulierten Satzfragmenten. Sie war nicht besonders hilfreich, bis wir schließlich über den Tod von Cynthia Warmuth sprachen. »In dem Punkt hatte ich nie den geringsten Zweifel, Counselor. Es muss einer der Brachiatoren gewesen sein.«
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie eine dieser langsamen Kreaturen, die ich gesehen hatte, einen athletischen Menschen überraschte und überwältigte. »Warum?«
    »Weil es zu ihnen passt. Sie sind bösartig.«
    Diese dumpfen, fast bewegungsunfähigen Brachiatoren hatten bei mir nicht den Eindruck erweckt, sie könnten eine besondere Wildheit an den Tag legen. »Wie soll sich das äußern?«
    »Auf die übliche Art. Überfall, Mord, Krieg, sogar Genozid, wenn es ihnen in den Sinn kommt.« Sie sah das Unverständnis in meinen Augen und hatte Mitleid mit mir. »Ich weiß, das ist schwer zu glauben. Sie bewegen sich so langsam, dass man sie leicht für passive Geschöpfe hält. Aber sie sind alles andere als das. Die Wahrheit ist, dass sie genauso kriegerisch sind wie jede andere prätechnologische Intelligenz, die mir bisher begegnet ist. Sie haben Stämme, und sie haben Territorien, und sie gehen aufeinander los, wann immer ihnen der Sinn danach steht.«
    »Schwer vorstellbar.«
    »Und noch schwerer zu begründen. Man sollte glauben, sie hätten gar keinen Grund dazu. Wozu werden schließlich Kriege geführt? Manchmal ist Ideologie oder Furcht der Grund, aber viel häufiger geht es darum, dass eine Seite etwas hat, das die andere will: Territorium, natürliche Ressourcen, Reichtum, was auch immer. Hier haben die KIquellen dafür gesorgt, dass all das in einer Fülle vorhanden ist, der gegenüber der Konsum der Brachiatoren verschwindend gering erscheint - und doch, wenn ein Stamm im Überwuchs auf einen anderen trifft, ohne dass zuvor detailliert verhandelt wurde, muss einer der Stämme den Kurs ändern, oder es kommt zu einem offenen Krieg, der nicht endet, ehe eine der beiden Seiten eliminiert wurde.«
    Ich hatte das seltsame Gefühl, etwas tun zu wollen, ohne zu wissen, was es war. »Wie läuft das ab?«
    »Wie eine Zeitlupenschlacht. Beide Seiten umkreisen einander und reißen sich gegenseitig in Stücke. Sie benutzen diese messerscharfen Klauen, sowohl diejenigen, die sie noch am Körper haben, als auch solche, die bereits abgeschält wurden, und liefern sich ein Gefecht aus Paraden und Vorstößen, langsam genug, dass sogar meine liebe alte Großmutter ausweichen könnte. Manchmal gehen zwei Kämpfer für zwanzig, dreißig Minuten in den Clinch, ehe einer es schafft, dem anderen eine Wunde beizubringen. Manchmal bekämpfen sich zwei Stämme mehrere Tage lang und führen einen Nahkampf, den die Bevölkerung alter Menschendörfer gleicher Größenordnung vermutlich binnen Minuten hinter sich gebracht hätte. Dabei bewegen sie sich so langsam, dass wir Zeit genug haben, auf Seglern in ihrer Nähe zu schweben und ihnen zuzusehen. Manchmal reden wir sogar mit ihnen, versuchen zu verstehen, was sie tun und warum. Sie allerdings finden unsere Fragen so dumm, dass sie nicht begreifen können, warum wir sie überhaupt stellen.«
    Beinahe hätte ich leise gemurmelt, dass sie mich doch sehr an Menschen erinnerten, aber diese Art von oberflächlichem Zynismus fiel mir so leicht, dass es schon billig wäre, ihn laut zu äußern. »Und warum denken Sie, das würde erklären, was mit Cynthia Warmuth passiert ist?«
    »Die Porrinyards haben sich größtenteils um ihre Ausbildung gekümmert, aber ich habe sie auch ein paar Mal mit rausgenommen, und gerade vor zwei Wochen hatte ich Gelegenheit, ihr einen dieser Konflikte zu zeigen. Wir waren mit unseren Seglern direkt unter ihnen. Sie hat gesehen, wie einer der Brachiatoren den Halt verlor, und angefangen zu schreien, dass wir ihn retten müssten. Ich habe ihr gesagt, wir könnten nichts tun. Und ...«
    Lassiter wischte sich über die Augen, rieb sich das Kinn, krabbelte über den gewölbten Boden der Hängematte zu einer Wasserflasche und gönnte sich einen tiefen Schluck. Als sie zu mir zurückkehrte, sah sie elend aus.
    Dieser Ausdruck war mir über die Jahre in so vielen Augen begegnet, dass es mir nicht mehr schwerfiel, ihn auf Anhieb zu identifizieren.
    Es war der Ausdruck eines Menschen, der sich gerade entschlossen hatte, ein Geständnis abzulegen.
    »Sie hat ihren Segler zwischen zwei der Kämpfer gebracht, zwei große

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