Halbmondnacht
übernatürlichen Geschwindigkeit, zu der ich fähig war. Aber unter Wasser fühlte sich jede meiner Bewegungen an wie in Zeitlupe.
Meine Krallen gingen durch das Gesicht meiner Gegnerin wie durch Pudding.
Ich hatte kaum Widerstand gespürt, ganz so, als hätte ich sie gar nicht berührt. Aber ihr Gesicht platzte auf, und Unmengen grünen Schleims ergossen sich aus den Wunden. Augenblicklich zog sie sich von mir zurück. Eine ihrer Hände zuckte hoch zumGesicht. Wie die hochtönenden Laute einer Hundepfeife hallten ihre schrillen Schreie durch das Wasser. Ich zögerte keinen Augenblick, sondern tauchte hinunter zu Ray, der nur ein paar Meter von mir entfernt im Wasser trieb. Ich legte ihm den Arm um die Taille und arbeitete mich zum zweiten Mal an diesem Tag mit kräftigen Schwimmstößen hinauf in Richtung Luft und Licht. Aber ich hatte erst ein, zwei Meter zurückgelegt, als mich erneut etwas am Knöchel packte. Kurz darauf schoss mir ein scharfer Schmerz das Bein hinauf. Hat die uns tatsächlich gebissen? , fragte ich meine Wölfin. Entweder das, oder sie hatte ein Messer irgendwo aus ihrem Algenkleid gezogen. Blut quoll aus der Wunde, und das reichlich. Bei unserem Glück ist ihr Biss giftig, am besten gleich tödlich. Meine Wölfin fletschte die Zähne, und das nun ausgeschüttete Adrenalin versorgte uns mit einer Dosis neuer Energie.
Die Najade hatte mein Bein umschlungen und versuchte, mich erneut mit sich in die Tiefe zu ziehen. Mit aller Kraft, die ich aufzubringen vermochte, versetzte ich Rays leblosem Körper einen Stoß in Richtung Wasseroberfläche. Blieb zu hoffen, dass der Schwung ausreichte, um Ray bis nach oben zu tragen. Dann könnten die anderen ihn aus dem Wasser und ans rettende Ufer ziehen. Ich wusste nicht einmal, ob er überhaupt noch am Leben war.
Ray glitt hinauf, und ich hörte es dreimal platschen, als drei Gestalten kopfüber ins Wasser eintauchten, tief hinein, um uns beide zu erreichen. Naomi war als Erste bei Ray, packte ihn und schoss mit ihm wie ein Pfeil zurück an die Wasseroberfläche. Danny und Tyler tauchten hinunter zu mir, durchpflügten kraftvoll das Wasser, um mich endlich zu erreichen.
Sie können nicht sonderlich gut schwimmen , gab ich meiner Wölfin zu bedenken. Wir müssen aus dem Wasser raus, ehe die Najade auch noch Interesse an den beiden entwickelt. Ich beugte mich hinunter und griff dem Wassergeist ins Haar. Es sah aus wie normalesblondes, wenn auch sehr langes Haar. Aber als ich hineinpackte, fühlte es sich wie Seetang an. Ein ganzer Schopf grässlichen, glitschigen Seetangs. Ich griff mit beiden Fäusten hinein und riss die Najade von meinem Bein, in das sie ihre Haihauer geschlagen hatte. »Lass los!«, brüllte ich sie unter Wasser an.
Danny und Tyler erreichten uns. Ohne zu zögern, packte jeder meine Gegnerin an einem Arm und zerrte mit einem Ruck daran. Sie schrie und kreischte und wand sich in dem Versuch, zu entkommen.
Mit Macht warf sich Danny seitlich nach hinten und riss ihr dabei den Arm aus. Er verzog das Gesicht und stieß den Arm von sich weg. Was beim Menschen Muskeln, Sehnen, Blutgefäße, Haut und Nervenbahnen gewesen wären, hing jetzt bei ihr schleimig grün aus der Wunde und hatte etwas modrig Weiches. Etwas, das aussah wie grünes, fauliges Blut, suppte aus dem Armstumpf.
Gleichzeitig ließen Tyler und Danny von dem Wasserghul ab. Die Najade hing bewegungslos im Wasser; sie schien zumindest benommen. Mit einem kräftigen Beinstoß war ich bei ihr, packte sie an dem verbliebenen Arm und zog sie hinter mir her, während ich der Wasseroberfläche entgegenstrebte. Alle drei tauchten wir gleichzeitig auf, ich immer noch mit der Najade im Schlepptau.
Ich durfte sie nicht hier im Wasser lassen. Sie würde sich möglicherweise erholen. Das, was Naomi über Selenes Macht über Naturgeister und Dämonen gesagt hatte, war mir im Moment herzlich egal. Dieser Unterwassersee kam als natürlicher Lebensraum für eine Najade durchaus in Frage. Vielleicht war das ja der Grund, warum Selene für ihre Zuflucht ausgerechnet diese Gegend ausgewählt hatte. Ich jedenfalls wollte mir nicht den Kopf zerbrechen müssen, wie ich dieses Gewässer überqueren konnte, falls das noch einmal nötig sein sollte.
Wir hatten die Oberfläche beinahe erreicht.
Durch den vielleicht letzten Meter Wasser konnte ich schon dieSterne am Himmel funkeln sehen, als Danny plötzlich hektisch und offenkundig verzweifelt auf meinen Oberarm eindrosch. Ich wandte mich zu ihm um
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