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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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können? Das ist ja das reinste Minenfeld.«
    Da konnte ich ihm nur in allen Punkten beipflichten. »Wenn jetzt wirklich Krieg zwischen den übernatürlichen Gemeinden ausbricht, brauchen die Wölfe eine verdammt eingehende Unterweisung in allen übernatürlichen Dingen.«
    Die Wölfe hatten übertrieben selbstsicher darauf vertraut, an der Spitze der Nahrungskette zu stehen und keinerlei Fressfeinde fürchten zu müssen. Eine Najade, die einen beliebigen abgelegenen Teil der Welt als Lebensraum beanspruchte, hatte nie irgendwelche Alarmglocken anschlagen lassen. Jetzt aber hatte sich das gründlich geändert.
    Kaum dass wir den Aufstieg begonnen hatten, fragte Danny: »Ist dir die Größe der Najaden aufgefallen, die sich gleich unter der Oberfläche getummelt haben? Ich fürchte, die, mit der wir zu dritt fertiggeworden sind, war ein Windelpupserchen.«
    »Du meinst, sie war ein Baby? « Ich verrenkte mir fast den Hals, um hinunter auf den vermeintlichen Fluss zu blicken, aber von den Najaden war keine Spur mehr zu sehen. »Kein Wunder, dass alles, was sie draufhatte, war, mich zu beißen und zu plärren. Aber wenn das stimmt und sie nur eine Miniaturausgabe war, kriegenwir nie im Leben ein Unentschieden gegen ausgewachsene Exemplare hin.«
    »Macht schon. Nur noch ein bisschen höher hinauf«, drängelte Naomi. »Hier oben sind wir sicher.«
    Naomi wartete auf dem schmalen Felsvorsprung auf uns. Gleich wären wir bei ihr. Ray lag reglos zu ihren Füßen. War wirklich nur ein einziger Tag vergangen? Gefühlt hatte dieser Tag ein ganzes Leben beansprucht. »Atmet Ray noch?«
    Naomi nickte. »Sein Herz schlägt noch, wenn auch sehr schwach. Alors , er ist ein sehr willensstarker Mann.«
    »Er ist ein sturer Hurensohn von der verbohrtesten Sorte«, sagte ich und zog mich hoch auf den Felsvorsprung. »Aber in diesem besonderen Fall scheint das ja echt mal von Vorteil zu sein.«

KAPITEL SIEBZEHN
    A ls wir schließlich alle oben auf dem Felsvorsprung saßen, blickte ich zu dem breiten Gewässer hinunter, das aussah wie ein Fluss, aber eigentlich ein See war. Aus dieser Entfernung wirkte es ganz harmlos. Das Wasser war ruhig, nichts rührte die spiegelglatte Oberfläche auf. Ich kniete mich neben Ray und öffnete ihm das Hemd. Dann legte ich das Ohr an seine Brust. Ich war durchaus in der Lage, den schwachen Herzschlag auch ohne Körperkontakt zu hören. Aber ich wollte ganz sichergehen.
    Tyler stand gleich neben mir. Seine Beine waren mit gerade erst getrocknetem Blut verschmiert. Es war aus den vielen Wunden geflossen, die ihm die Najaden mit Zähnen und Klauen beigebracht hatten. Da sich bisher bei keinem von uns Reaktionen auf die Bisswunden gezeigt hatten, durften wir davon ausgehen, dass die Bisse nicht giftig oder anderweitig schädlich waren. Dennoch stand Tyler kurz davor, sich zu wandeln. Fell spross neben den Wunden auf der unverletzten Haut seiner Beine. Ihm lief augenscheinlich gerade mächtig die Galle über. »Warum riskierst du dein   … nein, streich das: unser aller Leben für diesen Menschen?« Tylers Kiefermuskeln arbeiteten. Seine Anspannung war überdeutlich spürbar. Ein Echo seiner Wut brachte über unser neues Blutband auch mein Blut in Wallung. Meine eigene Nervenanspannung und Gereiztheit stieg schlagartig. »Das ergibt einfach keinen Sinn. Warum tust du das? Wenn du weiterhin derart hohe Risiken eingehst, wird es keiner von uns lebend hier rausschaffen.«
    Ich blickte zu ihm auf. »Niemand hat von dir verlangt, mich zubegleiten. Und dieser Mensch hat ebenso viel Anrecht darauf zu leben wie du oder ich. Und da wir gerade dabei sind: Wer hat dich eigentlich zum Herrn und Richter über die ganze Welt gemacht? Über die der Menschen und die der Übernatürlichen? Du hast hier keine Entscheidungsgewalt. Ein Leben ist ein Leben.«
    Zornig spie mir Tyler entgegen: »Wir haben immer über den Menschen gestanden. Immer waren wir ihnen überlegen. Wir sind stärker, schneller und klüger   …«, krampfhaft suchte er nach mehr Argumenten, die seine Ansicht untermauerten, »…   und   … und wir sind nicht sterblich wie sie.«
    »Na und?«, schoss ich zurück. »Willst du damit etwa sagen, die Menschheit sollte alle ihr unterlegenen Arten auf Erden auslöschen, weil diese körperlich und geistig nicht mit ihr mithalten können?« Vorsichtig rollte ich Ray auf die Seite. Das Wasser musste aus seiner Lunge. »Tyler, ich schlage vor, du lässt deine Wut irgendwo anders ab. Ich versuche derweil, das

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