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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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Leben dieses unterlegenen Menschen zu retten. Ich bin nicht in der Stimmung, wieder und wieder mit dir durchzukauen, welche Spezies nun mehr wert ist.« Ostentativ kehrte mir Tyler den Rücken zu und stapfte davon, während ich Ray auf den Rücken klopfte, mit der gebotenen Vorsicht selbstredend. Schließlich wollte ich ihm nicht die Rippen brechen. Die Maßnahme hatte den erwünschten Erfolg: Aus Rays Mund schoss Wasser wie aus einem Hydranten. Dann hörte Ray auf, Wasser zu spucken, und hustete stattdessen. Ich rollte ihn zurück auf den Rücken und zog ihn dann an den Oberarmen hoch in eine sitzende Position.
    Danny hockte sich neben uns. »Ich habe keinen Schimmer, warum du was tust und was du auf lange Sicht zu erreichen hoffst«, sagte er. »Aber du kannst auf mich zählen. Ray ist verdammt noch eins eine Nervensäge. Aber er ist eine Kämpfernatur. Eigentlich hätte er schon mehrfach das Zeitliche segnen müssen.« Während ich Ray noch festhielt, ergriff Danny seine Schultern, und ich konnte endlich loslassen.
    »Das weiß ich.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das auch nicht.« Ray spuckte und hustete sich die Seele aus dem Leib. Dazwischen stöhnte und ächzte er. Ich brachte noch einmal mein Ohr an seine Brust. »Sein Herz schlägt jetzt kräftiger. Aber ob seine Lunge wieder frei ist, kann ich nicht sagen.«
    »Sieht ganz so aus, als könnte er es«, meinte Danny.
    Ray stöhnte wieder. »Herrgott noch mal, Hannon«, krächzte er. »Hat das schleimige Sumpfbiest mich gefressen? Bin ich in der Hölle?« Er schlug die Augen auf. »Oder war ich da vielleicht schon die ganze Zeit?«
    »Das, Ray, zeugt nicht gerade von gesundem Optimismus«, entgegnete ich, und der Hauch eines Lächelns huschte über mein Gesicht. »Ich dachte, ein Kerl wie du hat immer die Himmelspforte im Blick, weil er denkt, er spiele auf Seiten der guten Jungs.«
    »Ich glaube, dass ich in der Hölle bin, weil ich diese Riesenspinne auf uns zukrabbeln sehe.« Er hustete heftig und gequält und spuckte noch mehr Wasser. Die Husterei und Spuckerei raubte ihm den Atem, und er röchelte, würgte aber dennoch hervor: »Spinnen von der Größe können nur Teufelswerk sein.«
    Danny und ich sprangen gleichzeitig auf. Es war dumm gewesen, zu glauben, wir wären auf dieser Seite des Flusses in Sicherheit. Tatsächlich dürfte uns das Schlimmste noch bevorstehen. »Das ist keine verdammte Spinne!«, rief Danny. »Das ist eine Missgeburt sondergleichen. Sieh dir nur all die Augen an!«
    Ich bückte mich, packte Ray unter den Achseln und zog ihn so schnell ich konnte von der Kante des Vorsprungs weg. »Oh ja, und schau, die Missgeburt hat Freunde mitgebracht.« Dutzendweise quollen sie beinahe simultan aus den Felsspalten um uns herum, ganz so, als seien sie eben erst heraufbeschworen worden. Was wahrscheinlich auch der Fall war. Danny hatte recht. Das waren keine Spinnen, sondern eine Art Kreuzung zwischen Skorpion und Spinne. Sie waren pechschwarz, hatten acht Beine undriesige, glänzende Spinnenaugen. Dazu waren sie dicht behaart, und ihr Hinterleib war schmal wie der eines Skorpions und mit einem fingerdicken Stachel als Tötungswerkzeug bewehrt, der vermutlich tödliches Gift verspritzte.
    Außerdem waren sie so groß wie Hummer.
    »Echt, die sehen bösartig aus, eine richtige Höllenbrut«, meinte ich und blickte auf der Suche nach Tyler und Naomi rechts und links den Felsvorsprung entlang. Nichts zu sehen von den beiden. »Wir müssen hier weg. Wenn die Biester Ray stechen, ist alles vorbei. Aber ich habe ihn nicht gerade vor einer Baby-Najade gerettet, damit er jetzt von einer Spinne totgebissen wird. Wo sind Naomi und Tyler?« Erneut schaute ich in beide Richtungen den Felssims entlang. Immer noch nichts. »Naomi muss Ray hier wegbringen, und wir zwei müssen springen.«
    Statt Naomi landete Eamon mit dem üblichen Rauschen verwirbelter Luftströmungen direkt vor uns. Im selben Augenblick kam Tyler am entfernten Ende des Felsvorsprungs um die Ecke. Offenkundig lief der Vorsprung tatsächlich wie ein Sims den Steilhang des Bergs entlang. Tyler war nur noch Zentimeter von einem der Killer-Spinnentiere entfernt. Es rasselte mit seinem Schwanz wie eine Klapperschlange und huschte erregt hin und her. »Tyler, nicht bewegen!«, schrie ich. Er erstarrte sofort. Ich sog die Luft durch die Nase ein und flehmte dann. Seltsamerweise roch ich die Spinnentiere nicht. Ich roch nur Stein und Fels. Tyler schien sie auch nicht gewittert zu haben.

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