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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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einem unhörbaren Zischen quittierte. Sie schwamm jetzt auf der Stelle und hielt Ray wie einen Schild vor sich. Sie war wirklich wunderschön, genau wie Naomi es beschrieben hatte. Aber ihre Zähne erinnerten mich in Anordnung und Form an ein Haigebiss: Genauso spitz und scharf sahen sie aus, eine tödliche Waffe. Die überlangen Arme wirkten grotesk; sie schienen etliche, ellbogenartige Gelenke zu haben und ließen sich so an gleich mehreren Stellen anwinkeln. Mit diesen gelenkigen, langen Armen hielt die Najade Ray in ihrem tödlichen Griff. Dennoch hatte sie Mühe, sein Strampeln zu unterbinden.
    Ich schwamm vor sie und trat dort Wasser, um nicht abgetrieben zu werden. Unerschrocken suchte ich den Blick meiner Gegnerin. »Nun mach schon, du Freak, hol mich doch!«, brüllte ich durch das Wasser zu ihr hinüber. Ich selbst konnte meine Stimme zwar hören, wusste aber nicht, ob ich tatsächlich irgendwelche Laute abgesondert hatte, die für die Najade verständlich waren.
    Immerhin: sie stutzte und schwamm ein Stück weit auf michzu, Ray immer noch mit einem Arm fest umschlungen. Sie hatte keinen Fischschwanz wie eine Nixe, sondern richtige Füße mit Zehen, allerdings mit Schwimmhäuten dazwischen. Ein gruseliger Anblick.
    »Was ist denn? Bist du zu feige?«, stieß ich mit meiner letzten Atemluft hervor. Ich musste Atem holen oder ich riskierte, das Bewusstsein zu verlieren. Die Najade schwamm drohend auf mich zu; Wut entstellte ihr wunderschönes Gesicht. Mit einem kräftigen Schwimmstoß hielt ich auf die Wasseroberfläche zu in der Hoffnung, meine Gegnerin hätte angebissen und würde mir folgen. Ich tauchte auf und holte japsend Atem. Rasch pumpte ich so viel Luft in meine Lungen, wie ich nur konnte. Jetzt, wo ich kein Mensch mehr war, sondern eine Übernatürliche, war meine Lungenkapazität erfreulicherweise viel größer als bei der letzten, eher spielerischen Planscherei.
    »Jess«, hörte ich Tyler brüllen, »schwimm ans Ufer! Ich ziehe dich raus!«
    Ich drehte den Kopf in seine Richtung und sah ihn und die beiden anderen direkt am Wasser stehen. Tylers Gesichtszüge waren vor Sorge um mich verzerrt, Danny wirkte entsetzt. Nur Naomi schien die Ruhe selbst wie immer. »Die Najade ist gleich hinter mir, hoffe ich zumindest. Wenn sie mich erreicht hat, stelle ich mich ihr«, japste ich. »Um mich anzugreifen, muss sie Ray loslassen. Ihr schnappt ihn euch und hol…« Weiter kam ich nicht. Stattdessen schluckte ich Wasser, als ich plötzlich abwärts gezogen wurde. Die Najade hatte mich am Knöchel gepackt und riss mich mit sich in die Tiefe. Sie tauchte in unglaublicher Geschwindigkeit hinab.
    Ich nahm all meine Kraft zusammen, beugte den Oberkörper gegen die Strömung nach unten und packte die schlüpfrige, glitschige Hand, die meinen Knöchel umklammerte. Im aufgewühlten trüben Wasser war es schwer auszumachen, aber augenscheinlich hielt die Najade Ray immer noch fest. Jetzt musste ichmeinen Plan umsetzen und sie dazu bringen, mich anzugreifen und Ray dafür loszulassen. Ich hangelte mich an ihrem Arm bis zum ersten Ellenbogen hinauf, einem Arm, der sich merkwürdig gummiartig anfühlte. Mit ganzer Kraft riss ich daran und übte dabei so lange Druck auf die schwächste Stelle im Gelenk aus, bis ich es knacken hörte. Die Najade heulte auf, ein schrilles Kreischen, das außerhalb des Wassers sicher Trommelfelle zerrissen hätte, und ließ mich los. Augenblicklich hörte die Tauchfahrt in die Tiefe auf. Meine Ohren quittierten den Wasserdruck mit einem eigensinnigen Plopp! Rasch versuchte ich, meine Tiefe festzustellen, aber die Wassermassen über uns waren dunkel wie Gewitterwolken, sodass ich die Entfernung zur Oberfläche nicht mehr einzuschätzen vermochte. Auch das seltsame grüne Licht drang nur gedämpft bis zu meiner Position.
    Die Najade erholte sich rasch. Als wäre Ray eine kaputte Puppe, hatte sie plötzlich kein Interesse mehr an ihm und stieß ihn beiseite, um mich anzugreifen. Wir müssen Ray zu fassen bekommen , sagte ich meiner Wölfin. Sauerstoff war erneut ein rares Gut. Wir müssen wütend werden, sonst schaffen wir’s nicht. Als die Najade voller Zorn auf mich zuschoss, fuhr ich meine Krallen aus, und Adrenalin flutete meine Blutbahnen. Schlagartig wuchs alles an mir, meine Muskeln, meine Beine und natürlich auch meine Arme. Als die Najade in meine Reichweite kam, holte ich aus und zog ihr meine Krallen einmal quer durch das schöne Gesicht. Ich tat das mit all der

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