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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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Wir sollten eine Furt finden und ans andere Ufer, solange wir dazu noch Gelegenheit haben. Höchstwahrscheinlich muss Selene das Wesen erst beschwören. Es könnte also eine Weile dauern, bis es hier ankommt. Ich gehe davon aus, dass es erwacht ist, als wir den ersten Fuß in die Schlucht gesetzt haben.« Ich griff nach TylersArm. »Noch ist es nicht da. Wir haben also noch ein bisschen Zeit. Komm.«
    »Ganz deiner Meinung!«, rief uns Danny über die Schulter hinweg zu. Er war schon dabei, am Ufer flussabwärts zu laufen. »Sobald das Wesen sein hässliches Haupt erhebt, sind wir dran, so viel ist sicher. Wir sollten machen, dass wir rüberkommen, solange es noch geht. Sind wir erst am anderen Ufer, können wir uns immer noch zum Kampf stellen oder einfach die Beine in die Hand nehmen und rennen, was das Zeug hält.«
    »Ray, bleib möglichst nah bei mir«, rief ich ihm zu, als ich losjoggte. »Wenn du nicht mithalten kannst, fliegt Naomi dich ans andere Ufer.«
    »Den Teufel wird sie tun«, versetzte Ray und stürmte hinter mir her. »Solange ich atme, lass ich mich nicht noch mal durch die Luft transportieren. Da versuche ich doch mein Glück lieber im Wasser.«
    Im Laufen schnaubte ich. »Na sicher doch. Als ob die Chancen da besser wären.«
    Wir liefen flussabwärts, brachten Distanz zwischen uns und das Blubbern in der Flussmitte. Danny, der uns um einiges voraus war, meldete: »Hier scheint es flach genug zu sein, um das Flussbett zu durchqueren. Es gibt auch einige Felsen, die wir als Trittsteine nutzen können.«
    »Geh rüber«, schrie ich zurück und wedelte auffordernd mit den Armen, »mach schon. Wir holen dich dann gleich ein.«
    Tyler war uns widerwillig gefolgt und hatte dabei den Blick nicht vom Wasser gelassen. »Ich finde immer noch, dass es zu riskant ist«, meinte er. »Wir sollten warten und die Bedrohungslage einschätzen.«
    »Zu spät, Kumpel«, rief Danny, während er vom Ufer aus den ersten Felsen anvisierte. Er landete sauber und verschwendete keine Zeit, sondern sprang gleich weiter zum nächsten Felsbrocken. Keine zehn Sekunden später hüpfte er bereits am Ufer aufund ab. »Kommt schon, ihr Lahmärsche! Das war ein Klacks. Wir können den Steilhang hinter mir raufklettern und raus aus der Reichweite des Sumpfmonsters, ohne dass wir uns die Hände schmutzig machen müssen. Los, macht schon!«
    Ich war auf dem dritten Felsen im Fluss, als ganz unvermittelt fauliger Gestank die Luft schwängerte. Gleich darauf hörte ich einen erstickten Schrei. In einer einzigen gedankenschnellen Bewegung fuhr ich herum und versuchte, Ray noch zu packen. Aber es war schon zu spät. Er versank in den Fluten, unerreichbar für mich. »Was hat ihn erwischt?«, rief ich Tyler zu, der nun rasch zu mir aufschloss. »Was war das?« Verzweifelt suchte ich das Wasser ab.
    Tylers Gesicht war grimmig, unnatürlich bleich im Mondlicht. »Jess, wir dürfen uns davon nicht aufhalten lassen. Das Wasserwesen ist jetzt erst einmal beschäftigt. Ray hat uns eine Chance verschafft. Wir sollten sie nutzen, damit sein Opfer nicht umsonst war. Los, spring! « Er versetzte mir mit beiden Händen einen Stoß. Ich aber behauptete mich breitbeinig gegen ihn und wich keinen Zentimeter von der Stelle. »Jess«, sagte er, und sein Tonfall war eine Mischung aus Wut und Verzweiflung, »du kannst ihm nicht helfen. Er ist ein Mensch. Und das ist unsere Chance, diesem Geschöpf zu entkommen. Was immer das da im Wasser auch ist, es hat Ray mit Sicherheit längst getötet. Und jetzt hör endlich auf, deine und unsere Zeit zu verschwenden!«
    Tyler mochte recht haben. Aber hören wollte ich trotzdem nicht auf ihn.
    »Verflucht noch mal!« Ich wandte mich ab und sprang zum nächsten Felsen, dann ans Ufer, wo Danny und jetzt auch Naomi bereits auf uns warteten, beide mit versteinerten Mienen. Ich stürzte auf die beiden zu. Das Wasser hatte sich nicht mehr sonderlich bewegt; es war spiegelglatt. »Habt ihr gesehen, was Ray unter Wasser gezogen hat?«, verlangte ich zu wissen. »Wenn es noch eine Chance gibt, ihn zu retten, müssen wir alles versuchen.«
    »Das war eine Najade, ein Naturgeist«, klärte Naomi mich mit flacher Stimme auf. »Sie gehören zu Selenes Lieblingen, obwohl ich auf diesem Kontinent noch keine zu Gesicht bekommen habe. Sie bewachen ihre Zufluchtsorte in Italien und Griechenland. Najaden stoßen aus den Tiefen vor und umfangen ihre Beute mit langen Armen. Außerhalb des Wassers können sie nicht länger als einen

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