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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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Vater bedachte, war stahlhart.
    Ich wollte Ray nicht töten. »Es gibt schließlich noch andere Wege, dieses Problem zu lösen«, erklärte ich. »Sämtliche Reinmenschen umzubringen, die unser Geheimnis kennen, ist ja nun nicht unser normales Vorgehen. Außerdem wäre es vielleicht nicht gut, ihn zu töten, und zwar aus mehreren Gründen: Er ist wie besessen hinter mir her gewesen; dass bei mir eingebrochen wurde, liegt als offener Fall immer noch auf seinem Schreibtisch; er wurde zuletzt gesehen, als er das Apartmenthaus betrat, in dem ich wohne. Und nicht nur das: Sein Auto steht immer noch davor, der Hausmeister des Blocks ist tot, und es sind diverse Anrufe wegen Ruhestörung bei der Polizei eingegangen und aktenkundig. Mit diesen Infos lässt sich wohl leicht aus einer Reihe von Zufälligkeiten eine Ereigniskette konstruieren   – wenn das nicht bereits geschehen ist. Ich bin sicher die Hauptverdächtige bei den Ermittlungen, wenn Ray Hart im Nirwana verschwindet.«
    »Detective Hart hat zu viel mitbekommen und stellt deshalb eine Bedrohung für unsere Art dar. So jemanden kann ich nicht guten Gewissens frei herumlaufen lassen. Ich weiß, dass es dir schwerfällt, nach unseren Regeln zu leben. Aber jemand wie Raymond Hart ist ein ernstes Problem. Er ist niemand, der sich als Reinmensch in unser Rudel einfügen würde. Das aber wäre die einzige andere Option, die er hätte, wenn er nicht sterben will.«
    Mit dieser Annahme hatte mein Vater voll ins Schwarze getroffen. Ray würde sich nie freiwillig unterordnen. Nur widerstrebte es mir trotzdem sehr, ihn umzubringen. Würde ich ihn töten, was mir nach all dem Ärger, den er mir in den letzten Jahren bereitet hatte, gar nicht so schwerfiele, fiele es mir beim nächsten Menschen noch leichter.
    Genau das wollte ich nicht.
    Außerdem: Wenn ich, die lange Mensch gewesen und erst seit so kurzer Zeit Wolf war, die Mühe scheute, Ray umzustimmen, würde kein willensstarker Mensch je die Chance haben, dem Tod nach Rudelgesetz zu entgehen. Was also gab es zu verlieren? »Und wenn ich ihn dazu bringen kann, dass er sich ins Rudel einordnet? Du weißt ganz genau, dass er eine große Bereicherung für uns wäre. Seit zwanzig Jahren ist er Detective bei der Polizei. Wir hätten dann einen Maulwurf in einer Strafverfolgungsbehörde, und als Sahnehäubchen obendrauf könnte er die Ermittlungen gegen mich einstellen und die Akte verschwinden lassen, einfach so.« Ich schnippte mit den Fingern.
    Dad beäugte mich skeptisch. »Er darf dieses Gebäude nicht verlassen, ehe ich sicher bin, dass keine Gefahr mehr von ihm ausgeht!«
    Von einer Lobotomie abgesehen sah ich keine Möglichkeit, Rayso schnell zum Umdenken zu bewegen. »Und was ist, wenn   …«, druckste ich herum. »Wenn ich ihn nicht, sagen wir, in der nächsten halben Stunde dazu bringe, den Eid zu leisten   …«, Herrgott noch eins, was sollte ich mit dem Kerl bloß anfangen? Der sture Hammel würde den Eid sicher nicht leisten! »Also gut, was wäre, wenn ich ihn mitnähme?« Na, das war ja mal ein Spitzenplan, Jessica, Glückwunsch! Meine Wölfin knurrte und schnappte in die Luft. Sie gab mir ziemlich genau zu verstehen, was sie von meiner genialen Idee hielt.
    »Ihn mitnehmen? Du? «, fragte mein Vater nach, offenkundig fassungslos.
    Es wäre Rays Todesurteil, wenn ich ihn zurückließe.
    »Jep, genau. Sollte mir nichts anderes übrig bleiben, nehme ich den Schwachkopf halt mit.«

KAPITEL DREI
    H allo, Ray.« Ich lächelte freundlich, als ich die Abstellkammer betrat, die im Hausflur gegenüber von unserem Büro lag. Eigentlich gehörte das winzige Zimmer nicht zu den Räumlichkeiten von Hannon & Michaels. Aber weil es in all den Jahren auch nicht an andere Interessenten vermietet worden war, hatten wir es einfach in Beschlag genommen. Wir benutzten es, wie die Bezeichnung Abstellkammer schon verriet, vor allem, um zu lagern, was uns im Büro im Weg gestanden hätte. »Sieht aus, als wäre dir die Fahrt gestern Nacht ganz gut bekommen.« Mit einem Nicken begrüßte ich kurz und formlos die beiden anderen Typen.
    »Guten Morgen, meine Liebe.« Danny zwinkerte mir zu. Sein munter wirkender englischer Akzent brachte etwas Leichtigkeit in die angespannte Atmosphäre, die in der Kammer herrschte. »Wie du bereits gemerkt hast, kommen dein Kumpel hier und ich ganz wunderbar miteinander aus. Wir haben einander das Herz ausgeschüttet und sind jetzt Hart, aber herzlich an der Grenze zu einer echten

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