Halbmondnacht
hatte ich sie geortet. Sie war im oberen linken Bereich der Felskuppel, gerade außerhalb meines Blickfelds. Sie wütend zu machen funktionierte ganz wunderbar. Ich konnte spüren, wie sie und ihre Magie vor Zorn erbebten. »Ich bin eine Göttin . Ich habe enorme Macht; nichts, aber auch gar nichts kann mich stressen …«
»Dein Bedürfnis, allen und jedem auf die Nase zu binden, wie groß deine Macht ist, deutet eher auf das Gegenteil hin.« Ich schob mich näher an ihre Position heran und machte mich bereit, sie anzuspringen. »Armes Ding, bestimmt hast du nach all den Enthauptungen zu viel von deinem Können eingebüßt und hast es einfach nicht mehr drauf …«
»Das reicht!«, geiferte sie. »Zeig dich endlich!« Eine Schockwelle traf den Fels unmittelbar vor mir, und er explodierte. Ich hechtete nach rechts, rollte mich ab und suchte Deckung in einer nicht sonderlich tiefen Senke im Boden. »Komm raus, du Schlampe! Dann werden wir ja sehen, wer von uns mächtiger ist und mehr Stehvermögen hat!«
Zusammengekauert hockte ich mich in die Senke und wartete. Ich wollte, dass Selene vor Wut raste. Ganz egal, was wir sehen, wenn wir uns aus der Deckung in den Innenbereich hineinwagen, wir gehen sofort auf Selene los, hörst du? Sie davon abzuhalten, uns mit einem Bann zu belegen, ist unser vorrangiges Ziel, verstanden? Meine Wölfin senkte die Schnauze. Aber wenn es um Rourke ging, traute ich ihr Zurückhaltung jedweder Art einfach nicht zu. Sein Geruch machte uns beide verrückt und lenkte uns vom Wesentlichen ab, und das war nun einmal Selene unschädlich zu machen. Der Instinkt aber verlangte von meiner Wölfin, unseren Gefährten zu suchen und zu retten. Er wird schlimm zugerichtet sein, davon müssen wir ausgehen. Aber wenn wir nicht zuerst die Hexe besiegen, ist das unser aller Tod. Sie hörte kaum zu. Auf ihr Drängen hin inhalierte ich Umgebungsluft und suchte nach Anzeichen für Ärger. Hör auf, weiter Witterung aufzunehmen. Wir dürfen uns jetzt nicht ablenken …
Naomi.
Selene hatte die Vampire in ihrer Gewalt.
Die Duftspur war nur sehr schwach ausgeprägt. Wutbedingt verloren Selenes Tarnzauber wohl gerade ihre Wirksamkeit. Ich hatte zu früh mitbekommen, dass sie die Vampire hatte; das war sicher nicht ihre Absicht gewesen.
»Du kommst zu spät, Angsthase!«, rief Selene. »Sie stirbt jetzt.« Magie flutete den Kuppelsaal. Es war an der Zeit zu handeln. Ich musste Selenes Aufmerksamkeit auf mich ziehen, um sie von Naomi abzulenken.
Ich sprang aus meiner Deckung in den Innenbereich der Höhle.
Das war genau das, was Selene wollte. Aber ich hatte keine Wahl. Kaum war ich hinter der Felsbarriere hervorgekommen, wurde ich von dem Anblick, der sich mir bot, beinahe überwältigt und geriet für einen Sekundenbruchteil ins Stolpern. Die Wände der Höhle waren mit Peitschen und allerlei teuflischen Gerätschaften gepflastert, jede Einbuchtung, jede Nische mit Hand- und Fußfesseln, Folterwerkzeugen und Ketten ausgestattet.
Blut, teilweise eingetrocknet, teilweise frisch, tränkte Wände und Boden wie ein dicker Teppich.
Das Weib war nicht ganz richtig im Kopf.
Noch während ich rannte, schlug genau über meinem Kopf ein Energieblitz in der Kuppelwand ein. Gut. Sie zielt auf uns, auf niemand anderen. Dem Einschlagwinkel nach musste meine Gegnerin irgendwo hinter mir sein. Den Ekel, der mich überfiel, unterdrückte ich sofort. Sieh dir bloß nicht die Wände an! , befahl ich meiner Wölfin und blieb in Bewegung. Ich legte an Tempo sogar noch zu und setzte, kaum in der Mitte der Höhle angekommen, mit einem weiten Sprung über das Podest, auf dem Selenes Bett stand. Noch in der Luft vollführte ich gekonnt eine Schraube. So schaute ich bereits in ihre Richtung, als ich auf den Fußballenlandete. Augenblicklich kauerte ich mich zusammen und duckte mich so tief es ging hinter die Stufen, die hinauf auf das Podest mit dem Prunkbett führten. Sodann suchte ich mit den Augen die Kuppel ab. Aber obwohl ich auch bei Dunkelheit fantastisch zu sehen vermochte, entdeckte ich nichts in den Schatten, nichts in den Nischen und Spalten der Kuppel. Selene musste sich mit einem Tarnzauber unsichtbar gemacht haben. Kann sie so was? »Was ist denn los, Selene?«, rief ich. »Machst du dir Sorgen, ich könnte dich bezwingen, wenn ich dich sehen kann? Na, jetzt mach schon und zeig mir deine immense Macht!«
»Du glaubst, du kannst dich vor mir verstecken?« Selene lachte, und ein riesiger Energieball schoss
Weitere Kostenlose Bücher