Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
dazu?«
»Ach, Rene ist nicht das Problem.«
»Du leidest am Burn-out-Syndrom«, stelle ich fest.
»Ich leide an momentaner Unzufriedenheit«, gibt sie bündig zurück. »Das ist alles! Und nun würde ich dich bitten, mich ein wenig von deinen Highlights naschen zu lassen!«
Ich habe nach diesem drastischen Bittgesuch von Paula beschlossen, sie in meine Zukunftspläne einzubeziehen. Wir haben unsere Mäntel übergestreift und sind, um dem Trubel im Haus einigermaßen entkommen zu können, zur beleuchteten Krippe hinausgeschlichen.
Nun habe ich in den eigenen Reihen eine Verbündete. Paula hängt mir unermüdlich an den Lippen und hinterfragt vieles.
»Wir sollten eine Woche die Plätze tauschen«, schlägt sie anschließend vor. »Ich biete dir Familie und Kind, und du bietest mir die Freiheit, alles zu machen, wozu ich spontan Lust und Laune habe!«
»Merkwürdig das man immer nach jenem strebt, was gegenwärtig außerhalb der eigenen Reichweite ist, nicht wahr?«
»Ein wahres Wort!«
Nachdem wir die konfus wirkenden Schafe und den störrischen Esel gründlich begutachtet haben, begeben wir uns wieder schlotternd ins Haus zurück.
Keine fünf Minuten sind verstrichen, da kommt der eigentliche Spitzel der Parkers auf mich zugeschlendert. Edith gesellt sich scheinbar beiläufig zu mir, und während sie an ihrem Kinderpunsch nippt, kippe ich begierig den heißen Weihnachtspunsch hinunter (damit lässt sich die Befragung durch den hauseigenen Inquisitor leichter ertragen).
Ich teile ihr dann vorsätzlich irgendwelche Nichtigkeiten mit und lasse sie nicht hinter meine Fassade blicken. Francesco ist und bleibt weiterhin mein inniges Geheimnis, und ich bin zum Schluss gekommen, dass ich dieses erst nächstes Jahr lüften wollte! Ätsch!
Um kurz nach Mitternacht kehrt endlich Ruhe im rammelvollen Haus der Parkers ein. Langsam aber sicher platzt meine frühere Heimatstätte aus allen Nähten. Die Sippschaft macht sich überall breit. Sie hausen über der Garage, das Wohnzimmer ist über die Feiertage nicht mehr zugänglich, mein ehemaliges Kinderzimmer gleicht einem Zeltlager und das Arbeitszimmer meines Vaters ist derzeitig gleichermaßen zwangsenteignet wie das Atelier meiner Mutter, und unser zweckdienliches Gästezimmer ist ebenfalls untrüglich überbevölkert. Die Einzigen, die diese Nacht außerhalb unseres Asyls nächtigen, sind Tante Lydia und Onkel Toni. Die kurze Distanz zu ihrer Wohnung lässt sich mit dem Auto rasch überwinden. Die beiden wollten zwar Manfred und Fritzchen bei sich einquartieren, aber der Kleine bestand darauf, bei den anderen Kindern zu bleiben und somit ist uns auch Manfred erhalten geblieben.
Das Einzige, was am Zustand der totalen Bedrängtheit aber wirklich störend ist, ist die Aufteilung von drei Badezimmern auf alle anwesenden Besucher. Ich bin an diesem Abend die Letzte, die an die Pforten des im Chaos versunkenen Bades klopfen darf. Nach einer kurzen Katzenwäsche mache auch ich mich auf den Weg in mein Bettlager. Der winzige Heizstrahler hat in der Zwischenzeit die Luftmassen allenfalls einen Grad erwärmt. Ich muss zusehen, dass ich frühmorgens nicht tiefgefroren aufwache! (Auf der anderen Seite soll ja die Kälte die Haut konservieren, dieses Faktum ist wissenschaftlich erwiesen. Ich würde demzufolge, die nächsten beiden Tage eine kostenlose Hautstraffungund Verjüngungskur durchleben. Na, auch nicht schlecht und sooo erschwinglich.)
Meine dicken Baumwollsocken und mein lieb gewonnener, altehrwürdiger Flanellschlafanzug scheinen der Kälte des Ateliers nicht ausreichend Widerstand leisten zu können. Ich wälze mich unruhig im Bett herum, krümme mich schließlich in Embryostellung zusammen und versuche die gleißend helle Nacht (und daran ist mit Sicherheit nicht der Vollmond schuld) durch das Überziehen der Bettdecke im Keim zu ersticken.
Aber ersticken würde nach einer Weile nur ich, soviel ist gewiss! Ich reiße die Bettdecke vom Gesicht und schnappe nach Sauerstoff. Ich liege im Bett, versuche zu schlafen, doch mir ist entsetzlich kalt und ich sehne mich unablässig nach wärmendem Körperkontakt (im Notfall wäre ich auch mit einer Wärmeflasche zufrieden).
Ein Blick auf die Uhr: Oh, es ist erst 1.15 Uhr.
Meine Zähne beginnen anstandslos zu klappern. Nein, ich stehe jetzt auf und mache mir einen heißen Tee. Ich schlage die dicke Daunendecke zurück und werfe mir die dünnere Tagesdecke über, danach schleiche ich mich still und heimlich aus
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