Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
ausgeglichen wie in Bella Italia. Hier haben eindeutig die Frauenzimmer die Fäden in der Hand (ich würde die Verteilung der firmenbezogenen Anteile auf siebzig zu dreißig schätzen). Darunter findet man adrett gekleidete und doch total unscheinbare Ladys, fahle Mäuschen in grauen Kostümchen (in diese nichtige und gänzlich ungefährliche Kategorie würde ich Frau Polzack einordnen). Tja, und dann findet sich noch eine Handvoll attraktiver Damen ein, die sich augenfällig zu kleiden versteht und die ihre Vorzüge auch gezielt in Szene setzen kann. Neben einer dieser langbeinigen Giraffen steht Francesco. Die Suche nach seinen Händen muss ich jedoch trotz einer äußerst genauen Inspektion durch meine adlerscharfen Radaraugen erfolglos abbrechen – keine Ahnung, wo die Abtrünnigen abgeblieben sind.
Nachdem wir alle das aktuelle Bild eingehend studiert haben, sind wir uns, was das Aussehen von Frau Polzack betrifft, einig:
»Das ist bestimmt diese graue Maus hier«, verkündige ich mit betonter Sicherheit und tippe dabei mit meinem Zeigefinger demonstrativ auf eine für mich und mein Ego akzeptable Frau … seine mutmaßliche Sekretärin.
»Ja, da stimme ich dir vollkommen zu. Der strenge Haarknoten und der verbissene Gesichtsausdruck lassen eindeutig auf Oberbefehlshaber Spieß schließen«, stellt Caro fest und erntet damit einhelliges Nicken.
»Ja, ja! Das ist sie bestimmt! Nun, bei der ist wirklich nicht die geringste Gefahr in Verzug«, stellt Nike noch bekräftigend fest.
»Und diese blonde Elfe hier, die Beine bis zum Anschlag hat?«, frage ich etwas verunsichert nach und deute auf Francescos unmittelbare Nachbarin.
»Nun, sie sieht - zugegeben – ganz passabel aus, aber entscheidend ist doch wohl, ob sie was im Köpfchen hat«, antwortet Caro. »Die da ist bestimmt nur eine kleine Botengängerin.«
»Im Nadelstreifkostüm?«, kreische ich ungläubig hervor.
»Nun, vielleicht sitzt sie ja im Foyer und begrüßt die Kundschaft«, merkt Nike an.
»Oder sie ist die Sekretärin der Chefsekretärin«, sinniert Caro vor sich hin, um mir einen weiteren, tröstlichen Lösungsvorschlag präsentieren zu können.
»Also, wenn ich aus euren realistischen Entwürfen auswählen dürfte, dann würde ich die gazellenhafte Botengängerin bevorzugen«, erwähne ich zum Abschluss.
»Nun, mit diesen langen Gliedmaßen ist sie für dieses derart sportive Aufgabengebiet ideal.«
Tja, hast du gute Freunde, brauchst du gewiss keine Feinde mehr!
Am Schluss unseres virtuellen Ausflugs bitte ich Nike, mir eine Aufnahme von Francesco auszudrucken.
Juhu! Ich halte Sekunden später bereits eine unscharfe Kopie (dies liegt am Drucker) meines Lovers in Händen. Ich werde diesem entzückenden Zerrbild (Francescos generelles Erscheinungsbild kann von einer etwas verwackelten Kopie bestimmt nicht verunstaltet werden) gleich am Abend einen zentralen Platz auf meinem Nachtkästchen einräumen.
»Ach übrigens, vielen Dank, dass du mir deinen Skianzug geborgt hast! Ich hoffe, du brauchst ihn bis zum nächsten Wochenende nicht, mir ist nämlich ein klitzekleines Missgeschick passiert. Aber ich gebe ihn gleich morgen in die Reinigung. Orangensaft«, erkläre ich Nike beiläufig.
»Kein Problem, ich brauche ihn ohnehin nicht. Aber die Reinigung kannst du dir getrost sparen, er lässt sich nämlich problemlos in der Waschmaschine waschen«, antwortet sie mir.
»Da fällt mir ein, dass du mit keinem Wort erwähnt hast, dass Bernie das Wochenende auch in Kitzbühel war.«
»Das ist richtig! Er und seine Kumpels wollten zu Anfang eine ausgiebige Skitour machen, aber sie haben es sich dann, wegen der aktuellen Lawinenwarnung, anders überlegt«, klärt mich Nike auf. »Er hat es mir auch erst gestern gesagt. Hast du ihn denn gesehen?«
»Ja, aber ich habe nicht mit ihm gesprochen, da ich mit Mutter Natur, den Spurrinnen und der Schwerkraft zu kämpfen hatte. Ich habe ihn nur am Pistenrand stehen sehen.«
»Ach so, na dann!«
Kurz bevor ich zu Bett gehe, starte ich noch einen Versuch und wähle erneut Francescos Nummer an, aber leider kann ich danach nur mit demselben, niederschmetternden Ergebnis wie zuletzt aufwarten. Nun, dann schläft er wahrscheinlich schon.
»Gute Nacht, mein fleißiger Schatz«, trällere ich seiner Fotografie zu und lösche das Licht.
Die Arbeitswoche hat bislang keine nennenswerten Highlights hervorgebracht (zum Glück) oder sehe ich mittlerweile viele Angelegenheiten im rosaroten Outfit? Mich
Weitere Kostenlose Bücher