Hallo?! Holt mich hier raus!: Vom Mann, der sich selbst einmauerte, und andere kuriose Missgeschicke (German Edition)
von fünf Kilogramm Butter, die seit Monaten die Raumecke verunzierten. Weg damit, wie auch die Mullbinden und Heftpflaster aus der ollen Badewanne ein paar Jahre zuvor. Und wer kann schon ahnen, dass 22 Jahre alte vertrocknete Pommes Kunst sind und deren Beseitigung einen Gerichtsprozess um Schadenersatz auslösen würde?
Die Geschichte der Kunst ist nicht nur reich an Irrungen und Wirrungen, es gibt auch etliche unglaubliche Pannen zu beklagen. Was ist Kunst? Die Missgeschicke im Umgang mit teuren Kunstwerken belegen endgültig, dass die Definition ziemlich relativ ist und die Vorurteile von Kunstbanausen leider in diesen Fällen voll bestätigt werden.
Was für die einen Kunst ist, ist für andere ein Fall für den Mülleimer. Eine bittere Wahrheit. Genauso bitter wie die Tatsache, dass es am Ende immer auch ums Geld geht. Der Unterhaltungswert immerhin ist bei diesen Pannen nicht zu verachten. Wer weder die Kunst hergestellt noch sie beseitigt hat, kann sich prächtig amüsieren. Eine ganz eigene Mischung aus Schadenfreude, der Bestätigung aller im Leben gesammelten Vorurteile und der ewigen Frage, wie die finanzielle Bewertung von Kunstwerken eigentlich zustande kommt.
Der Klassiker unter den Pannen in der Kunst: zweifellos die Badewanne von Joseph Beuys. Ein Skandal in den frühen siebziger Jahren, den der Künstler gar nicht witzig fand. Joseph Beuys: Bordschütze und Funker einer Stuka im Zweiten Weltkrieg, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse und im Luftkampf abgeschossen und schwer verwundet, Jahrzehnte später einer der wichtigsten deutschen Künstler, Inhaber des Lehrstuhls für Bildhauerei der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, der Mann mit dem Filzhut und dem ausgemergelten Körper, immer zu schnell sprechend, politisch schwer aktiv und einer der Mitbegründer der Grünen.
Jeder Mensch sei ein Künstler, lautete das Credo von Beuys. Die meisten werden wohl kaum auch wirtschaftlich so erfolgreich sein wie er. Für seine Installation «The pack», ein alter VW-Bus mit 24 Schlittenobjekten, wurden 1969 110000 Mark gezahlt.
In jener Badewanne, mit Heftpflaster und Mullbinden versehen, hatte Joseph Beuys laut Schrifttafel angeblich als Säugling selbst gebadet. «Offenbar zu heiß», schrieben Unbekannte auf die Tafel – nur die erste kleine Panne, die die Säuglingsbadewanne auslöste. Besitzer der Wanne war der Kunstsammler Lothar Schirmer, der sie freundlicherweise einem Museum in Wuppertal als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte. Für eine Wanderausstellung wurde das Kunstobjekt vorübergehend in einem Museum in Leverkusen eingelagert. Dort nahm das Unheil seinen Lauf. Bei einer Feier des SPD-Ortsvereins Leverkusen-Alkenrath am 3. November 1973 suchten zwei weibliche SPD-Mitglieder eine Schüssel zum Gläserspülen und stießen auf die offenbar verschmutzte Badewanne. «So, wie die aussah, konnten wir sie nicht gebrauchen. Deshalb haben wir die Wanne geschrubbt», erinnerten sich später Genossinnen Hilde Müller und Marianne Klein voller Reue. Ohne Pflaster und Binden eignete sich die Wanne zwar zum Spülen der Gläser, war allerdings kein Kunstwerk mehr.
Beuys soll damals mächtig sauer gewesen sein, der Besitzer seiner Wannen-Installation war es erst recht. Drei Jahre später wurde die Stadt Wuppertal als Leihnehmer der Badewanne erst vom Wuppertaler Landgericht und dann auch noch in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu einer Zahlung von 40000 Mark verurteilt, das Geld bekam der Kunstsammler als Eigentümer der Wanne. Das durch die gründliche Reinigung geschädigte Kunstobjekt bekam Joseph Beuys vom Gericht zugesprochen. Ausgerüstet mit neuen Mullbinden und Pflastern, machte sich der Künstler erneut an die Arbeit. Doch die Wanne war für ihn nicht mehr dieselbe.
Wie sehr zu dieser Zeit der skurrile Vorfall die Gemüter auch außerhalb der Kunstszene bewegte, zeigt die Weiterverwendung in der kommerziellen Werbung. In einem Werbespot für die Scheuermilch «ATA» wurden zwei Putzfrauen gezeigt, die in einem Museum mit abstrakten Bildern an den Wänden eine Badewanne schrubben. «Na, Meister, glänzt’s?», fragen die beiden Putzfrauen mit leuchtenden Augen den Künstler, der gerade zur Tür hereinkommt. Vollkommen entsetzt hebt der angesprochene Künstler die Arme in die Luft. Der durchaus passende Werbeslogan: «Von Haus aus gründlich. So oder so.»
Dreizehn Jahre später: Erneut wird ein Kunstwerk von Joseph Beuys Opfer von Sauber- und
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