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Hallo?! Holt mich hier raus!: Vom Mann, der sich selbst einmauerte, und andere kuriose Missgeschicke (German Edition)

Hallo?! Holt mich hier raus!: Vom Mann, der sich selbst einmauerte, und andere kuriose Missgeschicke (German Edition)

Titel: Hallo?! Holt mich hier raus!: Vom Mann, der sich selbst einmauerte, und andere kuriose Missgeschicke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Lührssen
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Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg kein Missgeschick passiert.
    Denn in die Affäre um die Plagiatsvorwürfe in seiner Doktorarbeit ist der CSU-Politiker ja nicht zufällig hineingestolpert. Er wusste, was er tat. Dumm nur – und da nähern wir uns dem Tatbestand der Panne doch ein wenig an –, dass es im Internet-Zeitalter nur eine Frage der Zeit war, bis die Sache aufflog. Damit hatte der damals amtierende Verteidigungsminister nicht gerechnet, wahrscheinlicher sogar: Er hatte aus Zeitgründen darüber überhaupt nicht nachgedacht. Zunächst wies Guttenberg die Vorwürfe als «abstrus» zurück, wenig später kündigte er den freiwilligen Verzicht auf seinen Doktortitel an. Alles umsonst, aus dem Sympathie- und Hoffnungsträger wurde innerhalb von ein paar Wochen der Buhmann der Nation. Eine von der Universität Bayreuth eingesetzte Untersuchungskommission kam nach der Prüfung seiner Doktorarbeit zu dem Ergebnis, dass er die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht habe. Bei 23 Textpassagen stellte die Staatsanwaltschaft Hof strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzungen fest. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Spende an die Krebshilfe in Höhe von 20000 Euro eingestellt. Skurril mutet es da schon an, dass Guttenberg, der offenbar auf den Glanz der politischen Macht dauerhaft nicht verzichten kann, elf Monate nach seinem Rücktritt von allen politischen Ämtern bereits den ersten Comeback-Versuch unternahm – ausgerechnet als Internet-Berater der EU-Kommission in Brüssel.

    Keine Panne, aber peinlich – so lässt sich auch das Karriere-Ende von Silvana Koch-Mehrin beschreiben. Sie war die Hoffnungsträgerin der FDP, die heimliche Parteivorsitzende von morgen. Doch im Juni 2011 verging ihr das ständige Strahlen. Weil auch sie abgeschrieben hatte, wurde der bis dato immer fröhlichen Politikerin der Doktortitel aberkannt. Nach diesem schmerzlichen Verlust wollte sie nicht auch noch auf ihr gut dotiertes Mandat (7665,31 Euro brutto als Grundbezug, eine pauschale Spesenvergütung von 4202 Euro sowie eine Sekretariatszulage von maximal 17540 Euro) im Europäischen Parlament verzichten. Übrigens wurde sie nur Tage später zum Mitglied des Forschungsausschusses des Brüsseler Parlaments berufen. Nach heftigen Protesten von Wissenschaftlern verzichtete Koch-Mehrin zwar auf diesen Sitz im Forschungsausschuss, nicht aber auf Mandat und Diäten. Menschlich verständlich, finanziell nachvollziehbar, aber für manche Wähler sicherlich ein Grund mehr, gar nicht mehr zur Wahl zu gehen, schon gar nicht zur Europa-Wahl.

    Wie schnell aus einer Panne eine Affäre werden kann, erfuhr FDP-Politiker Jürgen Möllemann bereits 1992. Er nahm für die Empfehlung eines Chips für Einkaufswagen, die die Firma seines angeheirateten Vetters vertrieb, den falschen Briefbogen. Möllemann, damals Bundeswirtschaftsminister, pries den Chip unter dem Briefkopf seines Ministeriums an. Er musste zurücktreten.

    «Ich bedauere, dass wir keinen unbefangenen Bundespräsidenten im Amt haben.» Das sagte wer? Es war ausgerechnet Christian Wulff, der nach einer Kette von kleinen und größeren Affären und nach nur 598 Tagen im Amt im Februar 2012 als Bundespräsident zurücktrat. Damals, im Januar 2000, hatte Wulff allerdings seinen Vorvorgänger im Amt Johannes Rau (SPD) gemeint. Wulff hatte eigentlich nur das getan, was vielen anderen Politikern auch passiert: Sie vergessen ihre eigenen mahnenden Worte. «Vertrauen ist unersetzlich. Es ist schwer zu erreichen, aber leicht zu zerstören», hatte der jüngste Bundespräsident aller Zeiten noch im August 2011 vor Wirtschafts-Nobelpreisträgern ausgeführt. Ja, ja, reden können sie alle. Und die passende Buchempfehlung lautet: «Besser die Wahrheit», von und mit Christian Wulff.
    Und wenn man nicht direkt die Wahrheit sagt, aber eben auch nicht direkt lügt – das nennt man seitdem «wulffen». Dieses neue Verb ist zweifellos das Vermächtnis des früheren Bundespräsidenten.

    Höchste Zeit für Politiker, die uns Spaß machen. Das muss ja nicht unbedingt durch eine große politische Leistung geschehen. Wer darauf hofft, wird ohnehin schnell enttäuscht. Aber eine gepflegte Panne im klassischen Sinne kann durchaus Frohsinn unter den Wählern verbreiten. Schön ins Fettnäpfchen getreten – wenn das einem Politiker passiert, ist die Freude oft gleich

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