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Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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sich. Er muss vorsichtig sein, und doch würde es ihn reizen, einfach «Scheiß drauf» zu sagen und sie alle mit einer einzigen Wahnsinnstat loszuwerden, zum Beispiel, indem er mit dem Vic durch die Eingangstür des Reviers führe – ich kündige.
    (Siehst du jetzt, warum wir diesen Typen lieben?)
    Zugleich denkt er, wenn er es übersteht und immer wieder von einem Augenblick zum anderen seine Sinne beisammenhält, dann werden daraus Tage und Monate. Er wird das Haus verkaufen. Alles wird hinhauen.
    Er weiß, dass beides bloß Hirngespinste sind, aber ihm fällt nichts ein, was dazwischen liegt. Kündigen und sich einen neuen Job suchen, aber schon bei dem Gedanken zuckt er zusammen und schüttelt den Kopf. Er ist Polizist. Was kann er sonst noch?
    Draußen unterhalten sich die Vögel. Ginger und Skip schlafen und atmen tief. Als Brooks sich anders hinlegt, ist das Bett kalt. Er hat zu viel Platz, zu viele Kissen. Er probiert es erst auf der einen und dann auf der anderen Seite aus, auf dem Rücken, auf dem Bauch. Die Uhr springt eine Minute weiter, dann zehn; es macht ihn schon müde, wenn er bloß ans Aufwachen denkt.
    Schließlich beugt sich Danielle über ihn, fasst ihn wie eineMutter an die Stirn, und er schläft. Wir stehen um ihn rum wie Ärzte, wie Engel, und warten darauf, dass die Träume anfangen, die Sirenen und die quietschenden Reifen, das im Scheinwerferlicht vorbeifliegende nächtliche Land, während wir ihn jagen und zu dem Baum rasen. Es könnte wie Rache aussehen, bloß dass es nicht unsere ist. Brooks ist leicht zu quälen. Wir brauchen ihm keine Albträume zu bringen. Er hat seine eigenen.
     
    «Hier, Mann», sagt Greg, kippt die Dose Bud über Toes Grab, und vor seinen Füßen sammelt sich Schaum im Gras. Er nimmt einen Schluck und reicht die Dose an Travis weiter. Travis stellt eine Schachtel Marlboro auf den Stein; es ist bloß noch die Zigarette übrig, die man nach dem Aufreißen verkehrtrum in die Schachtel steckt. Er stellt ein fast leeres Päckchen Streichhölzer dazu, aber die beiden Schachteln sind zu leicht, und der Wind wirft sie um. Sie fallen durch Toes Hände und landen hinter ihm; unwillkürlich bückt er sich, als könnte er sie aufheben.
    Travis sucht nach einem Steinchen, steckt es in die Streichholzschachtel und stellt sie wieder auf Toes Grabstein. Die beiden treten einen Schritt zurück und reichen die Bierdose hin und her, Toe guckt verstohlen über ihre Schultern und betrachtet das Ganze mit ihnen. Es gibt keine alten Blumensträuße oder Kerzen wie bei Danielle, nur das kalte Gras, das an den Rändern zusammengestückelt ist. Toes Mom wird später was herbringen und es seinem richtigen Dad am Telefon erzählen.
    «Ich kann’s immer noch nicht glauben», sagt Greg, und es ist unklar, zu wem er es sagt – dem Stein, Toe oder Travis. Travis sagt nichts.
    «Wir vermissen dich, Mann», sagt Greg.
    (Fang jetzt bloß nicht an zu heulen, sagt Toe.) Denn einen Augenblick lang ist Greg knapp davor, er duckt sich und schüttelt den Kopf. Dann übernimmt Travis das Kommando, tritt vor und stellt das halb ausgetrunkene Bier neben die Zigarettenschachtel.Er tritt an seinen Platz zurück, als wäre es eine Zeremonie, und dann schweigen sie wieder, wie eine Ehrenwache. Die Rückseite des Friedhofs grenzt an den Farmington-Woods-Golfplatz; aus der Ferne dringt das leise Dröhnen einer Mähmaschine herüber. Die paar Bäume, die als Einfassung stehen gelassen wurden, neigen sich im Wind, und Blätter wirbeln vorbei. Eins bleibt am Grabstein hängen, fliegt dann weiter und ist verschwunden.
    Sie betrachten es als ein Zeichen, drehen sich um und gehen zu Travis’ Golf zurück. Auf dem Rücksitz liegt ein zernarbter Louisville Slugger, daneben eine Kühlbox mit den Überresten eines Zwölferpacks. (Toe könnte mit ihnen fahren, tut es aber nicht, schaut bloß zu, wie sie die schmale Straße entlangkurven und unter dem schmiedeeisernen Torbogen hindurch. Wir warten neben einem augenlosen Engel auf ihn, und als er wiederkommt, wirft er uns einen Blick zu, der besagt, dass er lieber bei ihnen wäre, aber er weiß, dass wir was zu erledigen haben.)
     
    Sie räumt die am Vortag zurückgebrachten Bücher von einem rumpelnden Stahlkarren zurück ins Regal, geht mit einem Arm voll von einer Reihe zur nächsten, legt den Finger auf die maschinegeschriebenen Zahlen auf dem Einband und schafft Platz zwischen den anderen Büchern. Es hat einen Ansturm auf Sachbücher über den Blutkreislauf

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