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Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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geklettert ist und sich neben die Frau gestellt hat, weil er sich runterbeugt und sie anstarrt wie ein Wahnsinniger.)
    «Das ist doch albern. Ich zahle die Gebühr nicht. Wir finden das Buch schon.»
    «Tut mir Leid», sagt Kyles Mom und tut das Grausamste, was sie sich denken kann – sie gibt der Frau die Karte zurück.
    «Hören Sie», sagt die Frau und schiebt ihr die Karte wieder hin. «Ich muss die hier jetzt ausleihen. Wie hoch ist die Gebühr?»
    Kyles Mom lässt sich Zeit mit dem Bildschirm, lässt sie warten, obwohl es schon dasteht. «Achtzehn fünfundneunzig.»
    «Achtzehn fünfundneunzig», wiederholt die Frau und flucht leise, während sie kopfschüttelnd in ihrem Geldbeutel kramt. Inzwischen hat sich hinter ihr eine Schlange gebildet. Sie findet einen Zwanziger und klatscht ihn auf den Tresen. (Kyle schlägt nach dem Geldschein, der vom Tresen gleitet, von einem unsichtbaren Luftstrom hochgehoben wird und auf den Teppichboden fällt. O Scheiße, sagt Danielle.) Die Frau muss sich bücken, um ihn aufzuheben, und richtet sich mit rotem Kopf auf. Kyles Mom geht, um aus der Kassette unter dem Zentralcomputer das Wechselgeld zu holen. Sie zählt es vor den Augen der Frau ab, gibt ein, dass die Gebühr bezahlt ist, scannt ihre Bücher durch, und der Computer piept. Sie stempelt das Rückgabedatum auf, während die Frau ihre Handschuhe anzieht. Keine von beiden sagt etwas.
    «Die müssen bis zum 20. November zurückgebracht werden», erinnert Kyles Mom sie, doch die Frau stolziert mit dem Arm voll Bücher davon und eilt zur Tür hinaus, als wäre sie spät dran (Kyle ist direkt hinter ihr, zeigt ihr von der Seite den Mittelfinger). Die Nächste in der Schlange tritt vor, zieht die Stirn kraus und schneidet eine Grimasse, und einen Augenblick lang sind sie und Kyles Mom – die ganze Bücherei – Verbündete.
    (Toe kann es immer noch nicht glauben: einen leblosen Gegenstand in Bewegung versetzen. Was kann Kyle sonst noch, wovon wir nichts wissen?)
    Im Pausenraum lacht Kyles Mom zusammen mit Alice.
    «Mach dir nichts draus», sagt Alice und schält einen Cupcake aus der Hülle. «So was kommt hin und wieder vor.»
    «Sie hat sich über diese Kleinigkeit völlig aufgeregt», sagt Kyles Mom, als wäre sie erstaunt, amüsiert. Sie kann Alice nicht die Wahrheit sagen. Alle waren so behutsam mit ihr, dass dieser Hass eine Erleichterung ist. In den Augen der Frau war sie weder bemitleidenswert noch etwas Besonderes, sondern bloß ein anderer Mensch. Darum hat sie gekämpft; jetzt, wo es ihr gelungen ist, hat sie niemanden, dem sie es erzählen kann. Sie überlegt, ob sie Mark auf der Arbeit anrufen soll, aber vielleicht würde nicht einmal er es verstehen. Und wenn man an den Kranz denkt und daran, wie sie es genossen hat, diese Frau zu quälen, dann ist es vielleicht auch ein bisschen verrückt.
    Es sind nur noch fünf Minuten bis zur Vorlesestunde, und sie hat sich immer noch nicht entschieden.
Five Little Pumpkins? The Haunted Dollhouse?
Sie muss etwas auswählen, wo sie die Flanelltafel benutzen, wo die Kinder nach vorn kommen können, um die Ausschneidefiguren aus Filz anzuheften, etwas, das Spaß macht. (Sie muss entscheiden, wo sie heute Abend essen gehen, aber das kann warten.)
    Alice arbeitet an der Information und weiß alles.
    «Was meinst du?», fragt Kyles Mom, hält ihre beiden Kandidatenhoch und überlässt Alice die Entscheidung –
By the Light of the Halloween Moon.
(Sollten wir uns Sorgen machen? Kyle hat sich für dasselbe entschieden.)
    Die Wände des Bastelraums oben sind mit Q-Tip -Skeletten und Hexen mit Haaren aus Garnfäden dekoriert. Der Raum ist zum Bersten gefüllt, und die Kinder sitzen auf ihren lila Matten – Engel und Cowboys, Eishockeyspieler und schwarze Katzen. Beim Anblick von Kyles Mom werden sie leiser, und ein paar Mütter gehen hinaus, um sich unten umzusehen. Sie stellt die Flanelltafel auf, klappt die zusammengeketteten Beine der Staffelei auseinander, öffnet die Tüte und sortiert die Ausschneidefiguren, bevor sie sich hinsetzt, das Buch flach auf dem Schoß. Sie wartet, bis die Kinder zur Ruhe kommen, sitzt vollkommen still mit verschränkten Händen da. Die Kinder schauen sie an, als gehörte das bereits dazu – und das stimmt ja auch, es ist ein Trick, den sie sich von einem ihrer Lehrer abgeschaut hat.
    (Kyle sitzt vor ihr in der ersten Reihe. Wir stehen wie Wächter in der Tür, als könnten wir ihn daran hindern, den Raum zu verlassen.)
    Sie ist bedächtig,

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