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Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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an einer Kette. Er sieht uns nicht, er folgt bloß seiner Mom die Reihen rauf und runter und betrachtet sie, genau wie wir, zwischen den Büchern hindurch. Wir wissen nicht, was wir von seinemAuftauchen halten sollen. Wir dachten, er wäre bei Mrs. M.’s, aber vielleicht ist er wie wir und fliegt durch ganz Avon, eine Art Ersatzmann. Vielleicht sieht er Brooks beim Schnarchen zu oder streift wie damals durch den Wald.
    Er folgt ihr um die bogenförmige Ausleihe und durch die kniehohe Sperre nach hinten. Toe sieht mich an und Danielle auch; ich sehe, dass sie fertig sind mit Händchenhalten. Ich zucke die Schultern – woher soll ich wissen, was hier vorgeht? Wir können bloß hinter ihm hertrotten.)
    Kyles Mom hat ihre festen Gewohnheiten. Im Pausenraum wartet in dem NP R-Becher von zu Hause ihr dritter Kaffee. Die hell erleuchtete Kammer ist das stille Herz der Bücherei, verborgen vor den Ausleihern. Die alte Dreißig-Tassen-Maschine unter dem schwarzen Brett lässt den Kaffee durchlaufen. Der Tisch sieht aus wie bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Wegen des Feiertags gibt es besondere Leckerbissen – kleine Cupcakes mit Kürbisgesichtern, orange Zuckerkekse, ein Dutzend Krapfen von Luke’s. ESSEN UND GETRÄNKE SIND IN DER BÜCHEREI NICHT ERLAUBT, warnt ein Schild an der Tür. Sie meidet die Candy Corns und den Korb voll kleiner Hershey-Riegel, als wäre sie auf Diät. Es ist eine Schande; Halloween war immer ihr Lieblingsfeiertag.
    (Meiner auch, sagt Danielle und lässt ihre Finger durch die Candy Corns gleiten.
    Ist immer noch mein Lieblingstag, sagt Toe trotzig. Wie steht’s mit dir, Kyle?)
    Aber Kyle bleibt bei seiner Mom und beugt sich flüsternd über sie, während sie sich frischen Kaffee eingießt, und sie dreht sich um, als könnte sie ihn hören, und fasst sich mit der Hand an die Kehle. Bevor sie einen letzten Schluck nimmt, starrt sie in ihren Kaffee, als schwämme etwas darin. Sie lässt die Tasse auf dem Tisch stehen, bringt ihr Haar in Ordnung und streift es hinter die Ohren, dann ist sie bereit, den Leuten wieder gegenüberzutreten.
    Sie stellt sich hinter die Ausleihe, winkt den Müttern, die zu früh zum Vorlesen gekommen sind, und schickt die kostümierten Kinder nach oben (ein Landstreicher, ein Drache, Obi Wan Kenobi). Heute die Vier-bis Fünfjährigen. Sie weiß noch nicht, was sie vorlesen soll. Gestern waren die Zwei-bis Dreijährigen dran, und da hat sie
Hau ab, du großes grünes Monster
genommen – das an der Flanelltafel besonders gut ankommt. Die Vier-bis Fünfjährigen sind anspruchsvoller, stehen auf Ironie und Wortspiele, sind große Fans von Running Gags.
    Sie zieht gerade
The Hallo-weiner
(zu doof) und
Scary Party
(zu niedlich) in Erwägung, als eine jüngere Mutter, die sie schon einmal gesehen hat, einen Stapel Reiseführer über den Tresen schiebt. Die Frau ist stark geschminkt und trägt ein passendes schwarzes Kostüm, als würde sie nur kurz auf dem Weg zu einer Spendenveranstaltung vorbeischauen. Ihre Nase ist so spitz, dass sie nicht echt sein kann, und sie hat ein Paar Autohandschuhe in der Hand.
    «Paris», sagt Kyles Mom. «Sehr schön.»
    «Danke», sagt die Frau desinteressiert. Sie legt ihre Handtasche auf den Tresen und kramt nach ihrem Geldbeutel. Als sie ihre Karte gefunden hat, hat Kyles Mom für den Scanner bereits die hinteren Buchdeckel aufgeschlagen. Sie dreht die Karte um und hält die Strichcodierung unter das rote Licht. Normalerweise reagiert der Computer mit einem Piepen wie im Supermarkt, aber diesmal klingt es wie ein Xylophon.
    Der Ton ist ein Warnsignal. Das bedeutet, dass der Ausleiher noch ein Buch oder eine Fernleihe hat, dass er irgendetwas nicht zurückgebracht hat. Ein Blick auf den Bildschirm, und Kyles Mom sieht, dass die Karte gesperrt ist.
    «Gibt es ein Problem?», fragt die Frau.
    «Hier steht, Sie haben eine Verzugsgebühr nicht bezahlt, kann das sein?»
    «Ich glaube nicht.»
    «
Hot-Air Henry?
Hier steht, es ist als vermisst gemeldet.»
    «Meine Tochter», erklärt die Frau, als würde das alle Probleme lösen.
    «Leider ist Ihre Karte wegen der Verzugsgebühr gesperrt.»
    «Sie hat es vermutlich in die Schulbücherei gebracht. Das kommt manchmal vor.»
    «In diesem Fall würde man es direkt zu uns schicken.»
    Die Frau blickt seufzend an die Decke, und Kyles Mom sieht, dass sie sich Mühe gibt, nicht in die Luft zu gehen. Ist es falsch, ihre Macht über die Frau auszukosten? (Wir machen uns Sorgen, weil Kyle über den Tresen

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