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Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Schutzschild benutzt hat. (Ich weiß, wer das in Umlauf gebracht hat, sagt Danielle, als hätte sie sich schon drum gekümmert.) Zuerst hat ihn das verletzt, aber inzwischen begreift er; dieLeute brauchen einen Sündenbock, und er ist der Einzige, den sie zur Hand haben. Das macht den Plan so perfekt, bringt für sie alles zum Abschluss, und er bekommt seine Rache. Alle sind zufrieden, bloß seine Eltern nicht.
    Er kann nichts für sie tun, keine Entschuldigung wird sie davon überzeugen, dass es nicht ihre Schuld ist, und das lässt ihm keine Ruhe. Er will, dass alles seine Ordnung hat. Er will das Unmögliche: dass es bei dieser Sache nur um ihn geht.
    Er lässt sich von dem Strom mitreißen, passt sich dem Tempo des Rucksacks direkt vor ihm an. Es ist krank, wie leicht es ihnen fällt, so zu tun, als ob alles normal wäre, so, als würden sie alle schlafwandeln. Zugleich beneidet er sie, besonders die Neuen; er wünscht, er könnte noch einmal so unschuldig sein, so anonym, er könnte unbeachtet durch die Schule gehen, in eine ferne, unvorstellbare Zukunft, und jemand anders werden.
    Er kommt pünktlich zu Bio, setzt sich hinten an seinen Labortisch, tauscht einen wackeligen Hocker gegen einen stabilen aus. Draußen verdunkelt sich der Himmel, die Wolken direkt über dem Wald, und die Helligkeit im Raum wirkt künstlich. Die Schubladen sind verschlossen, die Gashähne abgedreht. Vorn steht Mrs. Blaustein mit Gummihandschuhen und schichtet gleich hohe Stapel von Aluminiumblechen auf. Er erkennt den säuerlichen Gestank von Formaldehyd und gerät in Panik. Das hat er total vergessen: Heute findet ihr Laborpraktikum statt, und er hat nicht gelernt. Die ganze Zeit, in der er seine Hausaufgaben gemacht hat, vergebens. Was hat er sonst noch verschwitzt?
    Er arbeitet mit Sean Campbell zusammen, einem Lacrossespieler, der Schaumfestiger benutzt, damit seine Haare vorn hochstehen, und ein peinliches Dave-Matthews- T-Shirt trägt. Sean ist Stammspieler und redet außerhalb des Unterrichts nur selten mit Tim, das ist ihm auch lieber. Er will keine neuen Freunde haben; die wird er bloß verlieren.
    Mrs. Blaustein stellt das Blech zwischen sie, der rosa Ringelwurmschon an den Enden festgeheftet. Sie müssen sich ein Skalpell, eine Pinzette und ein Dutzend nummerierte Fähnchen für die Organe teilen. Als Mrs. Blaustein die Blätter austeilt («Die Vorderseite nach unten, bitte»), verkündet sie der Klasse, dass sie drei verschiedene Tests entworfen hat und es nichts hilft, beim Nachbarn abzuschreiben. «In Ordnung», sagt sie, als sie wieder am Ausgangspunkt angelangt ist, «Sie können Ihre Blätter jetzt umdrehen.»
    Er wünscht sich, dass Sean anfängt, aber keiner von beiden greift nach dem Blatt. Schließlich dreht Tim es um und enthüllt eine Liste von Dingen, die sie finden sollen, eine üble Leichenfledderei.
    «Willst du schneiden?», fragt Sean.
    «Mir egal», sagt Tim.
    «Warum schneidest du nicht, du kannst das besser.» Das heißt, dass auch er nicht gelernt hat.
    Tim nimmt das kurze Messerchen, zieht das Blech näher ran und bemüht sich, den Gestank zu ignorieren. Der wächserne Block ist zerfurcht und zernarbt, tausend alte Löcher von unzähligen Tierkadavern. (Unwillkürlich stellt er sich vor, wie wir auf Tischen aus rostfreiem Stahl aufgebahrt sind, der Autopsieraum in
Schweigen der Lämmer.
) Sean muss das Blech festhalten, während Tim, den Arm in gerader Linie nach hinten ziehend, den Wurm behutsam aufschneidet, worauf sich die feuchte Haut rings um den Schnitt teilt wie ein Lippenpaar, ein Reißverschluss, und darunter eine dunkle Ader, der pilzfarbene Höcker eines Organs zum Vorschein kommen. Formaldehyd sprudelt hervor wie Apfelwein und füllt die Löcher auf dem Block.
    «Steck sie fest», sagt Tim, und Sean zieht die Haut auf beiden Seiten straff nach außen, damit sie die Innereien des Wurms sehen können, eine gerade Linie vom Maul zum After, die Organe um die fünf Wülste geknäuelt, aus denen das Herz besteht. Wenigstens das weiß er (fünf Herzen, als hätte er noch vier Chancen).
    «Ist das die Leber?» Sean deutet mit dem Finger drauf.
    «Halt mal.» Tim markiert das Herz (Nummer 1, geschenkt) und sieht auf dem Blatt nach, wonach sie suchen sollen. Gehirn, Kropf, Borsten, Nephridium. Einiges davon ist kein Problem, beim Rest muss er raten. Er müsste sich keine Gedanken machen, aber er will diesen letzten Test nicht in den Sand setzen – als Beweis, dass er weiß, was er tut.
    Er spießt

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