Halloween
Wie der Blitz taucht er neben Travis auf, packt ihn am Rucksack und zerrt ihn weg. «Das ist gut genug!»
Travis rutscht auf der glatten Treppe aus, stürzt hart aufs Handgelenk und verliert seine Sprühdose. Er tastet mit der flachen Hand im Gras, um sie wieder zu finden, aber Greg hebt sieauf. Sie laufen in den Schatten hinterm Haus, die Hunde die ganze Zeit hinter ihnen, und schließlich bleiben sie stehen und stoßen Dampfwölkchen aus.
Keiner von beiden sagt was, als würden sie sich verstecken, als würden sie verfolgt. Aber es kommt niemand. Das Licht an der Straße ist aus.
Sein Handgelenk scheint okay zu sein, es tut bloß weh, wenn er die Hand dreht.
Greg steht zitternd neben ihm im Dunkeln, bemüht, sich das Lachen zu verkneifen. «Wir haben’s getan», flüstert er.
«Ja.»
«Teil zwei, und dann machen wir, dass wir wegkommen.»
«Lass uns loslegen», sagt Travis, durch ihren Erfolg mutig geworden.
Jetzt sind sie beim Absetzen ihrer Rucksäcke nicht mehr leise. Die Hunde sind ihnen egal. Wenn sie wollten, könnten sie die ganze Nacht dableiben.
Jeder hat zwei Dutzend Eier. Diesmal teilen sie sich nicht auf, sondern stellen sich einfach in den Vorgarten und bombardieren das Haus. Mit Travis’ Handgelenk ist bis auf ein leichtes Stechen alles in Ordnung. Spritzend zerbrechen die Eier, und das Gelbe läuft über die Fensterscheiben und die Linien der Plastikverkleidung. Travis wirft seine Eier mit voller Wucht und denkt daran, wie er sich gefühlt hat, als seine Mom ihm von dem Unfall und Toes Tod erzählte. Damals war er wütend, wusste aber nicht, wem er die Schuld geben sollte, und das hier tut gut.
Er verfehlt die Haustür und trifft einen Pfosten, pfeffert eins gegen eine Fensterscheibe, und als er mit dem nächsten wieder einen Volltreffer landet, wünscht er, es würde tatsächlich jemand kommen und sie erwischen. Als er betrachtet, was er und Greg bei Brooks’ Haus angerichtet haben, ist er stolz. Auch als ihm die Eier ausgehen, bleibt er stehen, schaut Greg zu und feuert ihn an. «Ja!», brüllt er und übertönt die Hunde. «Fick dich! Fick. Dich.»
Seine Hände sind leer, und er braucht was in den Fingern, was zum Werfen, um diesem Gefühl freien Lauf zu lassen. Er muss nicht mal nachdenken – unwillkürlich bückt er sich und sucht den Boden nach Steinen ab.
Drinnen liegen die bunten Plastikröhren in der Spielecke verlassen da; für kleine Kinder ist es zu spät. Einige Leute sitzen in Nischen, andere bewegen sich von einem Fenster zum anderen durch das gelbe Licht, wie Fische in einem Aquarium. Tim beobachtet, wie sie sich unterhalten, wie sie ihre Pommes frites und Hamburger essen und an den Strohhalmen saugen. Ihre Münder öffnen und schließen sich lautlos, nur das leise gedrehte Radio ist zu hören – Staind. Er denkt, dass er zu ihnen reingehen, unbedarft und frei sein möchte, dass er Kyle und Danielle und dem Rest von uns im Jeep entfliehen möchte wie ein Entführungsopfer, nur hat er die Schlüssel. (Es ist sein Plan, nicht unserer.)
Auf der anderen Seite des Parkplatzes rückt die Schlange am Autoschalter vor – heute Abend ist nicht viel los –, aber die Uhr im Armaturenbrett zeigt an, dass es noch nicht so weit ist. Kyle neben ihm versteht nicht, warum sie mit abgestelltem Motor dasitzen, und Tim kann es nicht erklären, stattdessen lenkt er ihn ab, indem er in seiner Lunchbox wühlt und alles rausholt, was er wegwerfen muss. Das Sandwich ist zerdrückt, die Marmelade quillt durch das Brot wie bei einem nassen Verband.
«Das Snickers behalten wir», sagt er. «Und die Chips. Was ist mit den Möhrenstiften, willst du die essen?» Denn manchmal will er das.
«Ich will einen Cheeseburger», sagt Kyle.
«Du kriegst einen Cheeseburger. Willst du die Möhrenstifte essen oder nicht?»
«Nein.»
«Danke», sagt Tim, nimmt die Tüten und die Serviette, die Kyles Mom zusammengefaltet hat, und tritt raus in den Regen,geht zum Bordstein und wirft alles in einen Mülleimer. Die hellen Lampen werfen Schatten zwischen die Autos, die Luft riecht nach heißem Fett, und von der 44 dringt das Brausen des Verkehrs auf dem nassen Asphalt herüber. Als er durch das Plastikheckfenster Kyles Silhouette betrachtet, überlegt er wegzulaufen, in die Dunkelheit des Waldes, sich dort zu verstecken, aber der Gedanke hält nur einen Sekundenbruchteil lang an. Tim weiß, was er zu tun hat und wie die Tage ihn hierher geführt haben, an den Rand dessen, was er sich schon so lange
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