Halloween
knutschendes Pärchen, dessen Atem die Scheiben beschlägt, das jegliches Zeitgefühl verloren hat. Brooks bleibt nichts anderes übrig, er fährt querfeldein.
Er schnallt sich an, bevor er mitten durch die Wendestelle fährt und mit den Vorderrädern behutsam über den niedrigen Bordstein setzt. Die Stoßstange mäht das hohe Unkraut nieder wie eine Sense. Er muss mehr als hundert Meter fahren – raus aus dem Lichtschein des Hauses –, bis der Zaun des Radwegs, durchwoben von dürren Schlingpflanzen, im Licht seiner Scheinwerfer auftaucht wie in einem Gefängnisfilm. Er fährt langsam drauf zu, biegt im letzten Moment nach rechts, rollt zwischen zwei nutzlosen Torpfosten durch und lässt den Wagen laufen, ohne Gas zu geben. Der Weg besteht aus zwei schlammigen Furchen, die von den Geländewagen der Stadtwerke eingeschnitten und von Motorrädern noch vertieft wurden; der Vic holpert durch die Schlaglöcher, und Brooks wird gegen die Armlehne gedrückt. Der Boden ist sandig, und Brooks hat wirklich Angst, stecken zu bleiben und einen Abschleppwagen rufen zu müssen, eine weitere Erniedrigung – oder noch schlimmer, wie ihm plötzlich klar wird: Tim vielleicht zu verpassen.
Er reckt den Kopf übers Lenkrad, bahnt sich einen Weg zwischen den Pfützen durch und bleibt oben auf dem Grasstreifen. Auf seiner Seite gleitet der Zaun vorbei, auf der anderen drängt sich eine Wand aus Kiefern dicht heran, und regenschwere Äste gleiten wie die Bürsten einer Autowaschanlage über das Dach desVic. Brooks kommt an der von Stromleitungen durchzogenen Schneise vorbei, der Himmel einen Moment lang offen, dann holpert er eine Rinne entlang, und unter ihm fließt ein Bach. Inzwischen ist er überzeugt, dass hier hinten niemand ist. Der Weg geht nicht mehr viel weiter; er mündet in eine Wendestelle, und das war’s dann. Weiter vorn sieht Brooks den Stapel übrig gebliebener Bahnschwellen, der die Wendestelle markiert, die von einer Planierraupe aufgetürmten Erdhaufen. Er kommt auf die Lichtung und überlegt, wie er am leichtesten in drei Zügen wenden kann, als zur Rechten, am Rand des Scheinwerferlichts, unter den Bäumen versteckt, ein Schemen aus dem Dunkeln auftaucht. Ein weißes Auto. Ein Volkswagen Cabriolet.
Brooks schlägt das Lenkrad ein und hält direkt auf den Wagen zu, damit er etwas sehen kann, setzt dann zurück, parkt so, dass er den Weg versperrt, und richtet den Suchscheinwerfer drauf – ein Golf, aber egal. Es ist derselbe Wagen wie letzte Nacht, das Kennzeichen mit Rauchplastik abgedeckt. Keine Spur vom Besitzer, bloß Kopfstützen, aber die Insassen könnten sich im Innern versteckt haben. Er gibt eine Beschreibung und seine Position durch, geht kein Risiko ein. Diesmal will er alles richtig machen, besonders wenn es sich um Jugendliche handelt.
Brooks schaltet das Blaulicht ein, falls sie noch nicht auf ihn aufmerksam geworden sein sollten, keine Sirene. Das Blau wirbelt durch die Bäume wie in einem Kaleidoskop. Er öffnet die Tür und streckt den Kopf raus, benutzt seine Lautsprecheranlage. «Fahrer», sagt er, und seine Stimme erfüllt die Lichtung. «Legen Sie beide Hände so hin, dass ich sie sehen kann.»
Nichts regt sich, nur die Blätter im Regen.
Brooks macht das Blaulicht aus und zieht die Taschenlampe aus der Halterung, der geriffelte Stahl kalt in seiner Hand. Er nimmt sie in die Linke und hält sie auf Augenhöhe, die andere Hand auf die Hüfte gestützt. Sobald er den Schutz der Tür verlässt, wird er zu einer Zielscheibe. Er hält den Lichtstrahl ruhigauf die Fahrerseite gerichtet, während er mit langen, entschlossenen Schritten über die Lichtung geht (Semper fi!), dann schwenkt er hinter den Wagen und benutzt die Karosserie als Deckung. Auch aus nächster Nähe ist das Nummernschild nur schwer zu entziffern. Durchs Heckfenster kann er erkennen, dass auf der Rückbank niemand sitzt. Geduckt schleicht er auf die rechte Seite und im toten Winkel des Beifahrers nach vorn – er späht ins Innere, betrachtet die Sitze, bereit, sich vom Mündungsfeuer wegzurollen (Yaaaah!, schreit Toe) – und sieht am Türgriff, dass der Wagen leer ist.
Und abgeschlossen. Auf dem Rücksitz liegt zwischen einem Dutzend zusammengedrückter Bierdosen ein Baseballschläger, und Brooks fragt sich, ob das die Rotznasen sein könnten, die seinen Briefkasten geköpft haben. (Mein Gott, sagt Danielle, wach auf. Kein Wunder, dass du sterben wirst.)
Er hockt sich ins Gras, um das Kennzeichen zu lesen, und gibt es
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