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Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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ihm den Rücken zukehrt.
    Er reibt nochmal über die Stelle, um ein paar Regentropfen wegzuwischen, und kleistert den Aufkleber dann genau auf Augenhöhe fest. Eine Ecke ist verknittert; als er sie glatt streichen will, knickt sie um, aber was soll’s. Er weiß, dass ihn die Sache nicht freuen sollte, trotzdem ist es so.
    Die Schreibarbeit im Vic dauert länger, als ihm lieb ist. Er notiert die wichtigsten Punkte, fügt noch die Empfehlung hinzu,die Laterne mit einem Drahtgitter auszustatten, unterschreibt als Bericht erstattender Beamter, und das war’s dann, Mission vollendet. Er macht Meldung, und dann ist er frei, 232 ist wieder unterwegs.
     
    «Tim.»
    «Tim», sagt Kyle nochmal, ein kleines Kind, das Zuwendung braucht.
    «Ich hör dich, und die Antwort ist immer noch nein.»
    Jetzt, wo er sein Abendessen gehabt hat, will Kyle einen Nachtisch. Tim hält ihn mit Versprechungen hin, sagt, es ist noch zu früh. Das stimmt auch. Sie räumen die Feiertagssachen mitten im Laden ab, sammeln die Plastik-Kürbislaternen und dieselben alten Pappgespenster und schwarzen Katzen ein, die Mrs. McVeigh in der dritten Klasse aufgehängt hat, und packen Halloween weg bis zum nächsten Jahr. Es ist diese Zwischenzeit in der Nacht, in der Tim sich bemüht, nicht auf die Uhr zu schauen, und froh ist, dass er was zu tun hat.
    Der Blumenladen ist geschlossen, auch die Salatbar, die Apotheke. Der Typ aus der Fischabteilung kippt blutiges Eis in den Abfalleimer. Betrunkene kommen reingestolpert, sauer, weil das Bier schon abgedeckt ist. Zwei Typen spielen mit einer Tüte Chips Fangen und täuschen lachend Tacklings an. (Idioten, sagt Toe.) Eine Frau im Smoking mit weiß geschminktem Gesicht kauft eine Vierliterflasche Milch. Ansonsten ist es ruhig, die Berieselungsmusik läuft ununterbrochen – schmalzige Beatles-und U 2-Songs , die Kyle falsch mitsummt. Darryl schaut vorbei und sagt, dass er versucht, sie heute Nacht ein bisschen früher nach Hause zu schicken; die Kassiererinnen lässt er schon gehen, eine nach der anderen, als wären sie Geiseln. Tim muss verbergen, dass er innerlich zusammenzuckt; er
will
nicht früher gehen.
    «Ihr müsst nicht das ganze Thanksgiving-Zeug aufbauen», sagt Darryl. «Nur das Wichtigste.»
    Das heißt, dass sie die orange-braunen Luftschlangen um die Pfosten erst mal vergessen sollen. Darryl will, dass sie die flachen Papiertruthähne aufhängen, die sich an den Leisten der Hängedecke zu vollbrüstigen Vögeln entfalten, dass sie alle Kürbisse von draußen reinholen, die nicht verkauft wurden. Die sich häutenden Maisgarben können bleiben und der staubige Pferdemais auch. Soll sich Karen morgen um die Auslagen mit der Fertigfüllung und den Preiselbeerdosen kümmern; in der nächsten Woche kauft das sowieso noch niemand.
    «Aber als Erstes müsst ihr das Brot fertig ausräumen, also fangt jetzt damit an.» . (O Scheiße, sagt Danielle. Brot. Du weißt, was das heißt.) Denn es ist der Letzte des Monats, und das Verfallsdatum ist erreicht. Vor Tagesanbruch wird eine ganze Lastwagenkolonne rückwärts an der Laderampe stehen: Pepperidge Farm, Thomas’s, Hostess, Nissen, Entenmann’s. Tim will nicht wissen, wo das alte Brot hinkommt, aber er wird es für sie bereitstellen.
    Zwei Aufträge erledigen zu müssen ist noch besser. Sie schnappen sich einen Wagen und fangen bei den Doughnuts an, lesen das Datum auf den Schachteln. Unter der Klarsichthülle liegen die Doughnuts aufgereiht wie Reifen, und wie jeden Monat dieses Jahres lässt Tim sich Zeit und betrachtet sie, als wären sie ein großes Rätsel – Kreise aus gebackenem Teig. Die Form kommt ihm so willkürlich vor; warum keine Quadrate, die wären doch besser zu transportieren? Sie sehen sowieso seltsam aus, eigenartig, nicht bloß weil sie das Letzte waren, was wir gegessen haben.
    Die Verknüpfung lässt Tim innehalten, außerstande, seine Gedanken zusammenzufügen. Er erstarrt mit einer Schachtel in den Händen, als hätte er einen Schlaganfall. Er sitzt wieder bei uns im Wagen. Er riecht die Doughnuts, die wir gerade gegessen haben, schmeckt das Schweineschmalz und den Zucker auf seiner Zunge. Draußen fliegt die Nacht vorbei. Danielle sitzt auf seinemSchoß, er hat die Arme um sie geschlungen. Und die Straße führt immer in dieselbe Richtung. Es ist wie in seinen Träumen; nichts ist anders, er ist angeschnallt und kann nicht das Geringste ändern. Während er dasteht, strömen die Überreste wie Blut durch seinen Körper.
    (Ich

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