Halloween
sieht er plötzlich Tim vor sich – wie er in das Loch taucht, das die fehlende Tür hinterlassen hat, Tims Gurt aufschnallt und ihn ins Freie zieht. Er hat ihm nicht das Leben gerettet, wie die Zeitungen behauptet haben; es bestand keine Gefahr, dass der Wagen explodieren würde. Er hat sich nie wie ein Heldgefühlt, hat sich das nie eingeredet. Brooks findet das Ganze noch schlimmer, denn es war eine Unterlassungssünde, sein Schweigen die eigentliche Lüge.
«Stoßen Sie sich nicht am Kopf», sagt er zu dem Alten und setzt ihn in den Vic.
Bei den beiden anderen hilft ihm Saintangelo. Eine von der Party kommende Autoschlange schleicht vorbei, und alle machen große Augen über das Pech dieser Leute. Die Fahrerin hat sich geweigert, ins Röhrchen zu blasen, da wird automatisch der Führerschein eingezogen. Die unmittelbare Bestrafung gibt Brooks eine seltsame Genugtuung. Seine Gedanken sind noch bei dem Golf, bei Ginger und Skip, die im Haus kauerten, während ringsum die Fensterscheiben zu Bruch gingen. Es ist nicht mal eine Stunde her, denkt er. Ausgeschlossen, dass der Abschleppwagen schon da ist.
Sie stellen den Lincoln im Gras ab und kennzeichnen ihn mit einem Aufkleber, noch mehr Arbeit für MacDonald.
«Wirst du allein mit ihr fertig?», fragt Brooks.
«Ja», sagt Sandy. «Danke.» Es sieht so aus, als wollte er noch was sagen. Brooks sollte ihm sagen, dass er ihm nicht die Alleinschuld an dem Untersuchungsausschuss gibt, aber in Wirklichkeit tut er es doch. Wenn Sandy in so eine Lage kommt, wird er sehen, was für ein Gefühl das ist.
«Ich mach bloß meinen Job», sagt Brooks.
«Verehrte Kunden», verkündet Darryl aus den Lautsprechern an der Decke. «Der Laden schließt in zehn Minuten. Kommen Sie in dieser Zeit bitte mit allen Waren, die Sie kaufen möchten, nach vorn zur Kasse.»
Tim und Kyle hören auf, die Sachen für Thanksgiving aufzubauen. Darryl will, dass sie sich um die Einkaufswagen kümmern, also werfen sie sich ihre Plastikponchos, die nach Modellflugzeugleim stinken, und ihre Leuchtwesten über und gehenraus in die Kälte. Es ist nicht mehr so früh, aber nachdem Tim den ganzen Abend – den ganzen Sommer, das ganze Leben – gewartet hat, fühlt er sich gehetzt. Er rechnet damit, dass Brooks jeden Augenblick über den Parkplatz gespritzt kommt. Auf der anderen Seite wartet der Jeep, die Bilder von Danielle im Handschuhfach. Tims Kopf ist wie der Laden, voll gepackt und zugleich leer. Er fragt sich, ob er verrückt ist. Das werden die Leute sowieso denken.
Kyle spaziert zu einem einzelnen Wagen (der echte Kyle direkt hinter ihm, immer in seiner Nähe), starrt in den Regen, der durch den Lichtschein der hohen Laterne fällt, und Tim denkt, dass die Leute es nicht verstehen werden.
Es ist zu spät, um es zu erklären, auch sich selbst. Wenn er unsicher ist, dann weil er Angst hat, aber dazu besteht kein Grund. Er wird nicht mehr aufwachen und den Leuten was vorspielen müssen. Er wird nicht mehr lächeln und sich seine Worte zurechtlegen müssen.
Hinter ihm lässt Darryl einen Kunden raus – den Autos nach zu urteilen der letzte. Ein Familienvater in einem holzverkleideten Kleinbus. Der Mann braust über die Ampel neben dem Gewächshaus, bremst kurz an dem blinkenden Rotlicht, bevor er in Richtung 44 fährt, und wie beim Umschalten im Fernsehen geht das Licht aus, und ein Lilaton verblasst allmählich am Nachthimmel.
Kyle kommt so schnell wie möglich zurück und lässt den Wagen in der Dunkelheit stehen, die außerhalb des Lichtscheins der Schaufenster liegt.
«Jemand hat das Licht ausgeschaltet», sagt er ganz aufgeregt, und Tim muss ihn beruhigen. Gemeinsam holen sie die einzelnen Wagen und schieben die Schlange zur Tür – nicht besonders viele; es war ein ruhiger Abend.
Die Kassiererinnen machen Feierabend, aber Tim und Kyle müssen sich noch um den Boden kümmern. Darryl sagt, sie sollenbloß vorne durchwischen. «Eigentlich müsstet ihr die Gänge auch noch machen», sagt er, als sollten sie ihm dankbar sein. Tim ist auch irgendwie dankbar. Sie werden genau rechtzeitig aufbrechen.
Was ist um diese Uhrzeit sonst noch geöffnet?
Kaum etwas. Die Mobil-Tankstelle mit ihrem Minimarkt, aber nicht die Shell-Tankstelle auf der anderen Straßenseite. Das McDonald’s schließt gerade, das Staples ist längst zu. Dunkin’ Donuts und dann noch, einen knappen Kilometer die Straße runter, das Friendly’s und das Blockbuster direkt daneben, beide offen bis Mitternacht.
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