Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Halo - Tochter der Freiheit

Titel: Halo - Tochter der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zizou Corder
Vom Netzwerk:
waren über Nacht wieder Schuppen und Schutzdächer errichtet worden, und Zelte und Deckenstapel lagen in den Arkaden, Anlagen und Gärten. Und wieder verwandelten sich das Stadtgebiet entlang der Mauern nach Piräus, die Viertel am Fuß der Akropolis und die Marktplätze in Flüchtlingslager. Halo musste an die zerstörten Bauernhöfe denken, die sie im letzten Sommer gesehen hatte; die Menschen vom Land taten ihr leid. Wie gut es ihr doch im Vergleich zu ihnen ging – sie zumindest hatte ein Zuhause.
    Seltsam , dachte sie, dass schon ein ganzes Jahr vergangen ist – sogar mehr als ein Jahr . Sie war noch immer in Athen – ein Jahr älter, ein Jahr klüger, ein Jahr größer. Und in diesem einen Jahr bin ich zum Athener geworden, dachte sie lächelnd, als sie leichtfüßig durch die Straßen lief, die sie inzwischen so gut kannte wie als Kind die Meeresgrotten im Norden von Zakynthos. Und ich habe ein Jahr mehr Erfahrung in der Heilkunst, dachte sie. Ja, sie war auch um ein Jahr weiblicher geworden … Sie musste nun in etwa vierzehn Jahre alt sein, ein groß gewachsenes Mädchen, gut genährt durch das schmackhafte Athener Essen, aber immer noch schlank und rank. Ihre Brüste waren klein, trotzdem wickelte sie sich jeden Tag eine breite Binde um die Brust; darüber trug sie den Chiton. Als ihre Periode eingesetzt hatte, hatte ihr Aspasia geholfen. Ohne Aspasia hätte sie ihr Geheimnis niemals bewahren können – selbst die Haussklaven hatten nichts gemerkt. Aber Halo redete sich nicht mehr ständig ein, ein Junge zu sein. Wieso sollte sie? Andere Menschen würden sie zwar immer für einen Jungen halten, dafür würde sie schon sorgen. Aber in ihrem Inneren spürte sie, dass sie ein Kriegermädchen war, eine Amazone. Eine heimliche Amazone. Dieser Gedanke machte ihr Mut und half ihr darüber hinweg, dass sie die Menschen ständig belügen musste. Eines Tages würde sie dann so weit sein – sie würde Perikles gestehen können, dass sie eine heimliche Amazone war. Wahrscheinlich würde er es respektieren. Und sicherlich würde er verstehen, warum sie ihr Geheimnis all die Jahre verstecken musste. Ganz bestimmt …
    Heute fühlte sie sich fast fröhlich. Natürlich war es nicht so, dass sie sich über den Krieg keine Gedanken machte. Aber im Moment fühlte sie sich so geborgen, so stark. Zu allem fähig. Wenn der Krieg dieses Jahr so ähnlich verlief wie letztes Jahr, würde es wohl nicht allzu schlimm werden. Natürlich war kein Krieg eine Kleinigkeit. Aber Perikles würde der Stadt wieder Sicherheit geben. Außerdem war allen klar, dass der Krieg nicht sehr lange dauern würde, also konnte man damit leben. Letztes Jahr war er erträglich gewesen. Die Athener würden die Zähne zusammenbeißen und durchhalten.
    Als sie bei den Skythen ankam, begrüßten sie Arimaspou und Akinakes.
    »Schon irgendwelche Spartaner vor die Pfeilspitze bekommen?«, fragte sie halb fröhlich, halb besorgt.
    »Nein, keinen einzigen«, antwortete Arimaspou. »Wir sind schon bei Tagesanbruch rausgeritten, und wir patrouillieren in der ganzen Gegend, aber im weiten Umkreis von Athen sind bislang keine Feinde zu sehen. Soweit ist alles ruhig. Aber geh doch mal zu Gyges«, fügte er hinzu, »er fühlt sich schon den ganzen Tag nicht wohl …«
    Gyges lag auf seiner Strohmatte. Es dämmerte bereits, deshalb zündete Halo eine Öllampe an. Noch bevor die Flamme beständig brannte und sie ihn richtig sehen konnte, merkte sie, dass er sehr krank sein musste. Ein säuerlicher Geruch lag in der Luft, und er blickte ihr aus blutunterlaufenen Augen und mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht entgegen. Er tat ihr leid – Gyges bedeutete ihr besonders viel, schließlich war er der Mann, der sie nach Athen gebracht hatte (worüber die anderen ständig witzelten) und auch der erste Patient, den sie behandelt und dessen Wunde sie versorgt hatte. Sie wollte ihn wieder gesund und munter sehen.
    »Wie geht es dir, mein Freund?«, fragte sie sanft. Im Laufe des Jahres hatte sie eine Menge von Hippias gelernt; auch Freundlichkeit trug dazu bei, dass sich ein Kranker wohler fühlte, und es gab so viele Methoden zu helfen, bis sich die Körpersäfte des Erkrankten wieder im Einklang befanden.
    »Mein Kopf … als ob er brennt …«, stöhnte Gyges. Beim Klang seiner Stimme erschrak sie – sie war sehr rau und heiser.
    »Seit wann?«
    »Heute Morgen. Und meine Kehle auch.«
    »Öffne den Mund«, sagte sie. »Lass mich mal hineinschauen.«
    Der junge Mann ließ

Weitere Kostenlose Bücher